Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
paar Männer an Fässer und Planken klammerten und verzweifelt winkten, um das Floß herbeizulocken.
»Wir sind schon überladen«, warnte Wiprecht.
Henning beschirmte die Augen mit der linken Hand und sah blinzelnd nach Norden.
»Was sollen wir tun, Herr?«, fragte der zweite Flößer, der sein Gefährt geschickt mit dem Ruder auf der Stelle hielt.
»Grundgütiger!«, stieß der Prinz hervor. »Es ist Giselbert!«
»Was?«, Wiprechts Kopf fuhr herum, und er starrte angestrengt zu den Schiffbrüchigen. »Seid Ihr sicher?«
»Schau doch hin, siehst du denn nicht seine Schneemähne?«, entgegnete Henning. Und den Flößern befahl er: »Nichts wie hin. Beeilt euch!«
Behutsam drehten sie das voll beladene Gefährt in die Strömung. Henning und Wiprecht begannen, Ballast abzuwerfen.
»Wieso kommen wir nicht näher?«, fragte Henning verständnislos.
»Die Strömung ist stark hier, mein Prinz«, erklärte der Ältere der Flößer. »Und tückisch. Sie reißt sie schneller fort, als wir folgen können.«
Giselbert hatte das Winken eingestellt. Er schien vollauf damit beschäftigt, sich an sein Fass zu klammern, und Henning sah, dass sein Schwager sich tatsächlich immer weiter entfernte, statt näher zu kommen. Dann gerieten er und die beiden Leidensgenossen, die in unmittelbarer Nähe trieben, in eine Art Strudel. Giselbert von Lothringen wurde herumgeschleudert, als hätte die Hand Gottes ihm einen Stoß in die Seite versetzt. Er verlor sein Fass und ging unter.
Wiprecht keuchte erschrocken und schlug die Hand vor den Mund.
»Jetzt ist es zu spät, Herr«, erklärte der jüngere Flößer kopfschüttelnd. »Natürlich werden wir nach ihm suchen, wenn Ihr es wünscht …«
»Das wäre unklug«, widersprach der ältere, unverkennbar sein Vater. Er verneigte sich tief vor Henning, sagte aber ohne Scheu: »Mit einem Boot hätten wir vielleicht eine Chance. Aber nicht mit diesem Floß. Was der Rhein einmal verschluckt hat, gibt er nicht wieder her, mein Prinz, und wenn wir dorthin fahren, werden wir die nächsten sein, die er sich holt.«
Henning senkte den Kopf und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare. Er war erschüttert. Eberhard von Franken und Giselbert von Lothringen. Es schien zu abwegig, um wahr sein zu können, und doch hatte er es mit eigenen Augen gesehen. Er atmete tief durch und nahm sich zusammen, ließ die Hände sinken und sah zu der Stelle hinüber, wo sein Schwager ertrunken war.
»Na ja, wenn wir ehrlich sind, ist es um Giselbert von Lothringen nicht besonders schade«, sagte der Prinz.
Breisach, Oktober 939
Otto setzte den Helm auf und nahm den Zügel, den der Stallknecht ihm reichte. Er stellte den linken Fuß in den Steigbügel, als eine Stimme in seinem Rücken sagte: »Auf ein Wort, mein König, wenn Ihr so gütig sein wollt.«
»Graf Odefried«, erwiderte der König und saß auf. Aus dem Sattel sah er auf den Grafen vom Nethegau hinab. »Also?«
»Ihr brecht früh auf heute«, bemerkte der Graf. Anscheinend konnte er sich noch nicht durchringen, zu sagen, was er auf dem Herzen hatte. Aber das war auch gar nicht nötig. Otto konnte es sich ohnehin denken.
»Ich reite zur Kirche«, klärte er Odefried auf.
»In voller Rüstung?«
»Der Weg ist weit, und dies ist Feindesland.«
Hardwin, Konrad und ein halbes Dutzend weiterer Panzerreiter gesellten sich zu ihm und formierten sich. Es war ein klarer, kalter Herbstmorgen. Der Atem von Pferden und Reitern bildete weiße Dampfwolken in der würzigen Luft, und durch das gelbe und braune Blätterdach der Bäume sahen sie die Sonne auf dem Wasser des Rheins glitzern.
»Nun, Graf Odefried? Was habt Ihr mir zu sagen?«
Der Graf straffte die Schultern. »Ich kann nicht bleiben, mein König. Prinz Henning und die Herzöge plündern in Sachsen, und wir vertun hier unsere Zeit mit der Belagerung dieser uneinnehmbaren Burg. Ich fürchte eine Meuterei meiner Männer.«
»Dann muss man Euch zu Eurer Disziplin beglückwünschen«, warf Hardwin liebenswürdig ein.
Der Graf bedachte den jungen Panzerreiter mit einem finsteren Blick. »Ihr tätet gut daran, Euer vorlautes Mundwerk im Zaum zu halten. Wenn Ihr auch nur eine Krume Land Euer Eigen nennen könntet, läge Euch ebenfalls daran, sie zu beschützen.«
Hardwin setzte zu einer Erwiderung an, aber als er Ottos Blick auffing, überlegte er es sich anders.
»Ihr seid mein Vasall, Odefried«, erinnerte der König ihn. »Ihr schuldet mir Treue, Waffendienst und Männer.«
Dem Grafen
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