Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
reglos liegen, bis Gero befahl: »Verpiss dich!«
Der Junge sprang auf die Füße und floh.
Henning zückte seinen Dolch, spießte ein Stück Biber auf und biss ab. »Ein Daleminzer?«, tippte er kauend.
Gero schüttelte den Kopf. »Heveller. Ich habe mir ein paar von ihnen aus Spandau mitgebracht. Ursprünglich hatte ich vor, ihre Köpfe dem heimgekehrten Fürsten als Hochzeitsgeschenk auf die Brandenburg zu schicken. Aber das war, bevor ich erfahren habe, dass er meinen Vetter Asik als Geisel hält.«
Er sagte es leichthin, aber Henning sah, wie die altbekannte Zornesfalte sich über Geros Nasenwurzel bildete. Der Prinz frohlockte innerlich, weil Gero selbst das heikle Thema angeschnitten hatte, auf das Henning all seine Hoffnungen setzte.
Kopfschüttelnd murmelte er vor sich hin: »Ich kann mir einfach nicht erklären, was der König sich dabei gedacht hat, Tugomir deine Tochter zur Frau zu geben.«
Der Markgraf wandte langsam den Kopf, musterte ihn einen Augenblick und erwiderte dann: »Ich habe keine Tochter, Prinz Henning.« Er hatte die Stimme nicht erhoben, aber sein Gesicht hatte sich zu einer hasserfüllten Fratze verzerrt.
»Und dennoch, Gero. Der König hätte es nicht ohne dein Einverständnis tun dürfen. So wie die Dinge jetzt liegen, muss die Welt doch denken, die Heimkehr und Machtübernahme des Hevellerfürsten sei mit deiner Billigung geschehen. Und weil Tugomir deinen Vetter gefangen hält, kannst du nicht einmal zur Brandenburg ziehen und ihn zurechtstutzen. Du stehst vor deinen Männern da wie ein …« Er winkte seufzend ab. »Entschuldige.«
Gero wandte den Blick wieder ab und starrte vor sich hin. Sein Gesicht nahm einen bedenklichen Purpurton an, und in seiner Schläfe pochte ein Äderchen. »Glaubst du, ich merke nicht, was du im Schilde führst?«, knurrte er. »Wirst du denn nie klüger? Lauf zurück zu deiner Mutter, dieser Natter , und richte ihr aus, dass Markgraf Gero für ein Komplott gegen den König nicht zu haben ist.«
Früher hatte es Henning in Rage versetzt, wenn alle Welt glaubte, er tue keinen Schritt ohne den Rat oder die Billigung seiner Mutter. Den neuen, geläuterten Prinz Henning focht diese Unterstellung indessen nicht an. Achselzuckend aß er noch ein Stück Braten, kaute genüsslich und schluckte, ehe er antwortete: »Du ziehst die falschen Schlüsse. Mir würde nie in den Sinn kommen, dich zu einem Komplott gegen den König anzustiften. Ich weiß sehr wohl, dass du ihm bis in den Tod folgen würdest, treu wie ein Hund, ganz gleich, wie er dich mit Füßen tritt …«
»Sei vorsichtig, Henning.«
»… aber das muss nicht zwangsläufig heißen, dass du es tatenlos hinnimmst, wie er in deiner Mark schaltet und waltet, ohne auch nur die Höflichkeit zu zeigen, nach deiner Meinung zu fragen, oder?«
»Und was soll das schon wieder heißen?«
»Ich kann dir vielleicht helfen, Fürst Tugomir loszuwerden.«
Geros Körper wurde eigentümlich still. »Wie?«
»Ohne dass Otto auch nur Verdacht schöpft, du könntest irgendetwas damit zu tun haben.«
» Wie ?«
Henning hörte Kinderstimmen von der Tür und wandte lächelnd den Kopf. »Sieh an, Siegfried und Gero! Was für Prachtkerle deine Söhne geworden sind.«
Die beiden Bengel, vielleicht zehn und sieben Jahre alt, betraten die Halle erst, als der große Mann im Kettenpanzer, der sie begleitete, ihnen die Hände auf die Schultern legte und ihnen einen aufmunternden Stups versetzte. »Nur zu, begrüßt den Gast eures Vaters.«
Mit gesenkten Köpfen kamen sie an die hohe Tafel und verneigten sich. Der Kleinere hatte eine blutige Nase.
»Willkommen in Meißen, edler Prinz«, sagte der Ältere ernst.
»Hab Dank, Siegfried«, gab Henning zurück und dachte flüchtig, wie ähnlich es Gero sah, seine Söhne nach seinem toten Bruder und nach sich selbst zu benennen. Wenn man dem Markgrafen eines nicht nachsagen konnte, dann war es ein Übermaß an Fantasie …
Der Begleiter der Jungen verneigte sich ebenfalls, wenn auch merklich knapper. »Prinz Henning.«
»Graf Erich«, gab der Prinz ebenso verhalten zurück. Erich von Calbe war rund zehn Jahre älter als er und schon mit Hennings Vater im Heer der Panzerreiter gegen die Slawen und Ungarn gezogen. Oder genauer betrachtet, war Erich vermutlich mit Geros Vater gezogen, dem alten Thietmar, und nach dessen Tod war die Verbindung zu dessen Söhnen eng geblieben. Durch besondere Nähe zu Otto hatte Graf Erich sich hingegen nie hervorgetan, und darum,
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