Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
Vom Netzwerk:
die Farben der Götterbilder aufzufrischen, und weiter zu den Hütten entlang des Walls. Ein alter sächsischer Sklave, der hier schon während Tugomirs Kindheit als Zimmermann gearbeitet hatte, erneuerte einige morsche Türbretter. »Gott zum Gruße!« Er winkte fröhlich mit dem Hammer.
    Als Tugomir die Stufen zum Wehrgang erklomm, sagte Asik in seinem Rücken: »Könnte ich doch so sein wie er …«
    Oben angekommen, sah der Fürst auf die Havel und die weiten Wälder hinaus, wie immer. »Vermutlich gibt es niemanden im Umkreis von hundert Meilen, der dich so gut verstehen kann wie ich, Asik. Aber ich kann deine Bitte trotzdem nicht gewähren.«
    »Das weißt du, ehe du sie gehört hast?« Es klang bitter.
    »Du willst ins Kloster gehen.«
    Seit im vergangenen Herbst ihre Kirche fertig geworden war, traf man Asik kaum noch irgendwo anders. Und Widukind war dabei, zehn Meilen havelaufwärts sein erstes Kloster zu gründen. Asik hatte von Anfang an großes Interesse an diesem Projekt gezeigt und mit Bruder Anselm, welcher der Prior werden sollte, stundenlang in der Halle gehockt und mit einem Stecken immer kühnere Baupläne in den Sand am Boden gezeichnet.
    »Ist es nicht so?«, fragte Tugomir.
    Asik überraschte ihn mit einem Grinsen. »Ich bin nicht aus dem Holz, aus dem man Mönche schnitzt, Fürst Tugomir. Ich wollte dich um deine Erlaubnis bitten zu heiraten.«
    »Heiraten?« Tugomir fiel aus allen Wolken. »Wen?«
    »Jarmila.«
    »Oh.«
    Tugomir war keineswegs entgangen, dass Dragomirs junge Witwe einer neuen Ehe nicht abgeneigt war. Aber er hätte eher auf seinen Vetter Nekras oder möglicherweise dessen Zwillingsbruder Dragan getippt, die nach einem Leben in vollkommener Eintracht mit einem Mal jeden Abend in der Halle eine Schlägerei anfingen.
    Der Fürst rieb sich unentschlossen die Stirn. »Was sagt sie denn dazu?«
    »Lieber heute als morgen«, zitierte Asik.
    Tugomir nickte.
    »Sie … na ja, im Grunde genommen ist sie in der gleichen Lage wie ich: Sie ist hier unter Fremden gestrandet.«
    »Das ist nicht wahr. Ich habe ihr angeboten, sie zurück nach Hause …«
    »Sie kann nicht nach Hause.« Asik schüttelte kategorisch den Kopf.
    Tugomir unterdrückte ein Seufzen. »Ich will dich nicht beleidigen, Asik«, sagte er leise. »Aber sie ist eine redarische Prinzessin. Du bist eine sächsische Geisel. Wie soll ich das ihrem Vater erklären?«
    »Ich kann nicht fassen, dass ausgerechnet du das zu mir sagst! Was genau warst du denn, als du der Tochter des mächtigsten sächsischen Grafen unter den Rock gekrochen bist?«
    Tugomir verschränkte die Arme und musterte ihn. »Du hast eine sonderbare Art, dein Anliegen vorzutragen«, bemerkte er trocken. »Erst fällst du mir ins Wort, dann provozierst du mich. Bist du wirklich sicher, dass du meine Einwilligung willst?«
    Asik schlug den Blick nieder und nickte. »Ich würde auch vor dir auf die Knie fallen und deinen Fuß küssen, könnte ich glauben, dass es etwas nützt.«
    »Wirklich? Das habe ich an Ottos Hof gelegentlich gesehen. Ich habe mich immer gefragt, wie man sich dabei fühlt.«
    »Als Darbringer oder Empfänger des Fußkusses?«
    »Beides.«
    »Soll ich?«
    »Untersteh dich.«
    Tugomir ließ den Blick noch einmal über sein geliebtes Havelland schweifen und dachte nach. Asik hatte natürlich recht: Seine Heirat mit Jarmila wäre nicht unerhörter als Tugomirs mit Alveradis. Ganz zu schweigen von Fürst Ratibors mit Prinzessin Egvina. Fast musste es einen verwundern, dass die Erde nicht erbebte …
    »Graut dir nicht bei der Vorstellung, was dein Vetter Gero dazu sagen würde?«, fragte er schließlich.
    »Und wie steht es mit dir?«, konterte Asik. »Frohlockst du nicht bei der Vorstellung, was mein Vetter Gero dazu sagen würde?«
    Tugomir lachte in sich hinein. Dann erwiderte er kopfschüttelnd: »Er hat keine Macht mehr über unser Leben, weder deines noch meins. Darum bekommst du meine Einwilligung nicht seinetwegen. Aber du bekommst sie.«

Corvey, August 940
    »Seid willkommen in unserem bescheidenen Gotteshaus, mein König.« Der Abt zeigte ein beinah zahnloses Lächeln.
    Otto nahm ihn hastig bei den Schultern, um den alten Mann von einem Kniefall abzuhalten. »Habt Dank, Vater.« Er sah sich kurz in der kleinen, aber prächtigen Halle um, die am Westende der Klosterkirche lag, und dachte: Bescheiden würde ich es nicht gerade nennen . Die dicken Säulen, die das Westwerk trugen, hatten reich verzierte Kapitelle, und die Wände waren

Weitere Kostenlose Bücher