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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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er. »Und erregend.«
    »Tatsächlich?«, fragte sie, ein mutwilliges Funkeln in den Augen.
    »Sei versichert.« Es stimmte. Er verstand nicht so genau, woran es lag, aber wenn er Blut vergossen hatte, egal ob von Mensch oder Tier, wollte er danach immer eine Frau – vorzugsweise seine.
    Sie gab vor, nicht zu bemerken, wie dringend sein Anliegen war, und wies mit einem Finger auf ihren Brief. »Egvina hat geschrieben.«
    »Ah ja?«
    Sie nickte, den Blick wieder auf ihre Lektüre gerichtet. »Ratibors Augenschleier ist nicht zurückgekehrt, aber sie sagt, er beklage sich, dass er mit dem Auge nur undeutlich sehen kann, was ganz nah vor ihm ist.«
    Tugomir war nicht überrascht – so erging es allen, die sich diesem Eingriff unterzogen. Doch er schätzte es nicht sonderlich, wenn seine Heilerfolge in Zweifel gezogen wurde, und knurrte: »Schreib ihr, Ratibor kann gern wieder herkommen, und ich schlag ihm das Auge aus. Dann ist das Problem ein für alle Mal erledigt.«
    Alveradis gluckste, schalt aber gleichzeitig: »Und schon bräche der Krieg zwischen Hevellern und Obodriten aufs Neue aus.«
    Er nickte. »Viele hier würden sagen: Dann wären die Dinge wieder so, wie sie sein sollen.«
    Alveradis hörte nur mit halbem Ohr zu. »Ach du meine Güte … Egvina ist guter Hoffnung!«
    Tugomir setzte sich rittlings auf die Bank, schlang die Arme um seine Frau und zog sie zwischen seine Beine. »Und war Ratibor so höflich, sie zu heiraten, bevor er sie geschwängert hat?«, fragte er und nahm ihr Ohrläppchen zwischen die Lippen.
    »Allerdings. Wenn es ein Mädchen wird, Tugomir …«
    »Gott steh uns bei. Was für eine Schwiegertochter: halb Ratibor, halb Egvina.«
    »Gott steh unserem armen Sohn bei, meinst du wohl«, widersprach sie und lachte. »Herrje, Tugomir, was machst du da?« Sie griff in die Schale neben sich und schob ihm eine Brombeere zwischen die Lippen. »Hier. Lass mir mein Ohr, sei so gut, ich möchte nicht so aussehen wie Hugo von Franzien.«
    Sie las weiter, presste sich aber gleichzeitig mit einem kleinen Laut des Wohlbehagens an ihn, als seine Linke ihre Rippen aufwärtswanderte und schließlich über ihre Brust strich. Wie Alveradis sich verändert hatte seit ihrer Ankunft hier. Vor allem seit der Geburt des Jungen. Tugomir wusste, zum ersten Mal im Leben hatte sie das Gefühl, ihre Sache gut und richtig zu machen. Dorthin zu gehören, wo sie war. Aus dem unglücklichen, gebrechlichen und von Zweifeln gepeinigten Mädchen war eine Fürstin geworden, und es war geschehen, was er nie und nimmer für möglich gehalten hätte: Die Heveller hatten sie ins Herz geschlossen. Alveradis machte keinen Hehl daraus, dass sie hier glücklicher war als in ihrer alten Heimat, und ihr Enthusiasmus für das Havelland und seine Bewohner entwaffnete selbst diejenigen, die ihren Makel, Geros Tochter zu sein, ganz und gar unverzeihlich fanden. Und Tugomir fand dieses neue Selbstvertrauen, das seine Frau ausstrahlte, unwiderstehlich.
    »Komm ins Bett«, flüsterte er in ihr völlig unversehrtes Ohr, doch plötzlich versteifte Alveradis sich in seinen Armen und schob seine Hände weg.
    Irritiert hob Tugomir den Kopf. »Asik!« Im ersten Moment war er wütend, dass ausgerechnet seine verdammte sächsische Geisel diesen kostbaren Moment störte, doch er schluckte seinen Ärger herunter. »Was gibt es?«
    Asik deutete eine Verbeugung an. »Verzeih die Störung, Fürstin.« Es klang steif. Vermutlich hatte er genau gesehen, was er hier unterbrochen hatte.
    Doch Alveradis zeigte keine Verlegenheit. »Guten Morgen, Vetter«, grüßte sie.
    Er hatte nicht mehr viel Ähnlichkeit mit dem geschundenen, halb verhungerten Sklaven, den sie hier vor einem Jahr vorgefunden hatten. Das Haar reichte ihm wieder fast bis ans Kinn, er trug ordentliche Kleidung und Schuhe. Dieses Land machte niemanden fett, denn es gab seine Früchte nur im Austausch gegen harte Arbeit her, doch war Asik nicht magerer als irgendein Heveller.
    »Ich … habe eine Bitte«, brachte er stockend hervor.
    Alveradis erhob sich. »Entschuldigt mich. Ich habe Dragomira versprochen, heute Morgen bei ihr vorbeizuschauen.«
    Dragomira hatte vor einer Woche eine Tochter zur Welt gebracht und erholte sich nur langsam.
    Tugomir nickte seiner Frau zu und stand ebenfalls von der Bank auf. »Gehen wir ein Stück«, lud er Asik ein.
    Seite an Seite schlenderten sie durch den sonnenbeschienenen Burghof, vorbei am Jarovit-Tempel, wo drei junge Priesterschüler dabei waren,

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