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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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einer so wundervollen Kirche wie dieser hier, und je mehr Weihrauch verbrannt wurde, desto besser, denn er liebte den schweren Duft. Doch er hatte seit Tagesanbruch im Sattel gesessen und noch nichts gegessen. Während der Wandlung begann sein Magen gänzlich unköniglich zu knurren, was ihm ein amüsiertes Stirnrunzeln seiner Gemahlin eintrug, wie er aus dem Augenwinkel sah. Grinsend biss er sich auf die Unterlippe, ohne den Blick vom Altar zu wenden.
    Glücklicherweise war der alte Abt ein erfahrener und umsichtiger Gastgeber, der schon so manchen hungrigen König unter seinem Dach beherbergt hatte, und kaum waren die Mönche in feierlicher Prozession aus der Kirche gezogen, kam ein junger Novize die Treppe zur Königsloge herauf, gefolgt von einem halben Dutzend Dienern mit Platten und Krügen.
    Der Knabe verneigte sich vor dem König. »Abt Volkmar würde sich glücklich schätzen, wenn Ihr und die königliche Familie und Euer Gefolge ihm später beim Festmahl Gesellschaft leisten wolltet, mein König, aber er glaubte, Ihr wolltet vielleicht schon jetzt eine kleine Erfrischung nehmen.«
    »Gott segne Abt Volkmar«, erwiderte der König, stibitzte ein Stück Schinken von einer der Platten und verschlang es, noch ehe er die Hände in die Waschschüssel steckte, die einer der Diener ihm hinhielt. Während er sich die Hände abtrocknete, fragte er den Novizen: »Wie heißt du, mein Junge?« Er wusste, der Abt hätte ihm keinen Knaben geschickt, wenn es mit diesem nicht irgendeine Bewandtnis hätte.
    Der Junge senkte den Blick mit einem scheuen Lächeln, antwortete aber nicht ohne Stolz: »Mein Name ist Widukind, mein König.«
    »Dann nehme ich an, wir sind Vettern? Der Name ist nicht gerade selten in der Familie meiner Mutter.«
    Widukind nickte. »Die ehrwürdige Äbtissin von Quedlinburg ist eine Base meines Vaters«, erklärte er bereitwillig.
    »Verstehe. Und wie lange bist du schon hier?«
    »Zwei Jahre, mein König. Seit ich acht bin.«
    Otto legte ihm einen Moment die Hand auf die Schulter. »Ich bin sicher, du wirst deinem Haus ebenso viel Ehre machen wie Gott. Was gefällt dir denn am besten am Kloster?«
    »Das Scriptorium«, antwortete Widukind ohne jedes Zögern.
    Wilhelm schaute interessiert auf.
    Der König wies in seine Richtung. »Das ist mein Sohn Wilhelm, er ist ebenfalls der Kirche versprochen. Das Kopieren und vor allem das Illustrieren frommer Bücher ist auch seine Leidenschaft.«
    Widukind schenkte Wilhelm ein strahlendes Lächeln, gestand dem König aber: »Kopieren ist nicht wirklich meine Sache, fürchte ich. Wenn es Gottes Wille ist, werde ich eines Tages ein ganz eigenes Buch schreiben.«
    »Tatsächlich?«, fragte Otto. »Worüber denn?«
    Der Novize hob die mageren Schultern. »Ich habe mich noch nicht entschieden. Vielleicht über Euch, mein König.«
    Otto lachte. »Dann sollte ich mich wohl bemühen, einen guten Eindruck bei dir zu hinterlassen. Komm und teile unser Frühstück, Vetter Widukind.«
    »Ihr erweist mir große Ehre, aber ich muss Euch bitten, mich zu entschuldigen, sonst kommt der Bruder Cellerarius im Zorn über mich.«
    »Das will ich unter keinen Umständen auf mein Haupt laden«, erwiderte Otto. »Also geh mit Gott. Ich werde mich gelegentlich beim ehrwürdigen Abt nach deinen Fortschritten erkundigen.«
    Der pfiffige Novize dankte ihm und verabschiedete sich.
    »Wortgewandt genug für seine ehrgeizigen Pläne ist er jedenfalls«, bemerkte Editha, wies die Diener an, ihnen Fleisch, Brot und verdünnten Wein zu servieren, und schickte sie dann fort.
    Die Familie versammelte sich um den Tisch im hinteren Teil der Königsloge.
    »Und?«, fragte Brun zwischen zwei Bissen. »Wie steht es in Lothringen?«
    »Lass ihn erst einmal in Ruhe essen, Brun«, schalt die Königin, und an ihren Gemahl gewandt fügte sie hinzu: »Du bist dürr wie ein Schilfhalm.«
    »Wirklich?« Otto sah prüfend an sich hinab. Er konnte keine Veränderung feststellen. »Nun, falls es so ist, tut es mir gut. Ich fühle mich großartig.« Was vielleicht weniger an seiner körperlichen Verfassung lag, sondern mehr am Verlauf der vergangenen Monate.
    Um Editha einen Gefallen zu tun, stillte er jedoch erst einmal seinen ärgsten Hunger. Der Schinken, den Abt Volkmar ihnen hatte auftragen lassen, war himmlisch, das Brot frisch und deftig. Dann berichtete er: »Lothringen ist gesichert.«
    Der westfränkische König Ludwig hatte in dem allgemeinen Durcheinander nach Hennings Sturz noch einmal versucht,

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