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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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dem, der sie entfesselte. Das war ganz und gar keine neue Erkenntnis für Dragomira. Sie hatte mit eigenen Augen gesehen, was die Heveller mit den Frauen taten, die sie von ihren Kriegszügen mit heimbrachten. Aber begreifen konnte sie es nicht. Mirnias Weinen und Betteln waren so entsetzlich anzuhören, dass Dragomira schließlich den Kopf in den Armen vergrub und versuchte, die Laute auszusperren.
    »Wie können sie nur?«, murmelte sie. »Kennen sie denn kein Erbarmen?«
    »Heute Nacht nicht«, antwortete Udo scheinbar gleichmütig.
    Dragomira hätte nachher nicht zu sagen vermocht, wie lange es dauerte. Ihr kam es vor wie Stunden, aber der Mond hatte nur ein kurzes Stück seiner nächtlichen Reise zurückgelegt, als die Jammerlaute abebbten und es mittschiffs schließlich still wurde.
    Sie verspürte Übelkeit, gepaart mit einer dumpfen Erleichterung, und ließ sich gegen die Bordwand sinken. Udo kam auf die Füße und stellte sich vor sie, mit dem Rücken zu ihr, die Klinge trügerisch locker in der Linken, noch angespannter als zuvor. Dragomira wusste, er rechnete damit, dass seine Männer versuchen könnten, ihn zu überwältigen, um auch sie zu vergewaltigen. Er verharrte eine geraume Zeit und lauschte konzentriert, aber nichts war zu hören, und niemand zeigte sich. Schließlich schlich Udo um die Ladung herum und verschwand aus Dragomiras Blickfeld. Augenblicklich wünschte sie, er käme zurück. Wenn die Kerle irgendwo auf ihn lauerten und er in einen Hinterhalt geriet, dann würde nichts sie und ihr Kind retten, so viel war sicher. Doch er kehrte rasch zurück, Mirnia über der Schulter wie ein Reisigbündel. Wenigstens war er einigermaßen behutsam, als er sie auf ihre Decke legte. »Besinnungslos, aber lebendig.«
    »Und deine Männer?«
    »Schlafen ihren Rausch aus.«
    Dragomira rutschte zu dem zierlichen Daleminzermädchen hinüber und strich ihr die wirren, schweißnassen Haare aus der Stirn. Mirnias formloser Sklavenkittel war verschwunden. Es war zu dunkel, um viel zu erkennen, aber Dragomira wusste, dass Gesicht und Leib morgen früh mit Blutergüssen übersät sein würden. Sie breitete ihre eigene Decke über Mirnia aus. Das Mädchen wimmerte, wachte aber nicht auf.
    Udo stand an Dragomiras Seite und blickte mit undurchschaubarer Miene auf das geschändete Mädchen hinab. »Ich schätze, sie wird wieder. Aber wenn du sie nicht mehr willst, schneid ich ihr die Kehle durch. Mir ist es gleich.«
    Man konnte hören, dass er die Wahrheit sagte, und mit einem Mal graute Dragomira auch vor ihm. »Erklär es mir, Udo«, verlangte sie. »Was hat dich so untypisch rücksichtsvoll gestimmt, dass du mich beschützt hast, statt selbst deinen Spaß zu haben?«
    »Ich war deinem Bruder was schuldig.« Er betrachtete sie einen Moment und fügte dann hinzu: »Du hast dir doch hoffentlich nicht eingebildet, dein Prinz habe mir befohlen, gut auf dich achtzugeben, he? Falls doch, wird es Zeit, dass du die Augen aufmachst. Prinz Otto hat dich längst vergessen, Kindchen.«
    Als es hell wurde, machten sie die Leinen los, lenkten den Kahn in die Flussmitte und warfen die Leiche des Schiffers über Bord.
    Dessen Witwe ertrug ihr furchtbares Los mit verdächtigem Gleichmut. Als sie ihnen das Frühstück brachte, heulte sie noch. Eine Stunde später machte sie Cobbo und Burchard bereits schöne Augen, ging mit keck wiegenden Hüften zu ihnen hinüber und tuschelte.
    »Lieber würde ich sterben, als zu tun, was sie tut«, murmelte Dragomira angewidert, während sie Mirnia mit einem feuchten Tuch die Stirn kühlte. Das Mädchen war immer noch nicht richtig zu sich gekommen. Gelegentlich flackerten ihre Lider, aber ihre Seele klammerte sich an den Schlaf, mutmaßte Dragomira, um dem Grauen der Wirklichkeit noch ein Weilchen länger entrinnen zu können.
    »Das muss daran liegen, dass du eine stolze Fürstentochter bist«, höhnte Udo, der nicht von ihrer Seite gewichen war. »Wir einfachen Leute wollen leben. Sie hat offenbar mehr Verstand als ihr toter Gemahl und tut das einzig Richtige. Ich wette mit dir, heute Abend werden Burchard und Cobbo mir sagen, dass sie nicht mit zurückkommen, sondern das Geschäft des Schiffers und seinen Kahn übernehmen wollen.«
    »Und seine Witwe gleich mit? Als ihre Hure?«
    »Ich an deiner Stelle wäre vorsichtig, andere Weiber so zu nennen«, konterte er mit einem vielsagenden Blick auf ihren runden Bauch. »Sie macht einen guten Tausch, wenn du mich fragst. Die beiden werden besser auf

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