Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)
jetzt sei so gut und verschwinde. Und mach dich bereit. Morgen früh bei Sonnenaufgang reiten wir nach Quedlinburg.«
Tugomir hatte die schwere Schale bereits angehoben. Jetzt stützte er sie auf die Hüfte und wandte sich zum König um. »Wozu wollt Ihr mich mitnehmen? Um mir einen Strick um den Hals zu legen und mich Euren Grafen und Herzögen vorzuführen wie einen gefangenen Bären?«
»Ja, so ähnlich«, räumte der König unverblümt ein. »Berichte von gewonnenen Schlachten sind nie so eindrucksvoll wie Gefangene, die man vorführen kann.«
Tugomir wandte sich ab. »Schade, dass Euch das nicht eingefallen ist, ehe Ihr all die Redarier und Obodriten hinrichten ließet.« Er ging hinaus, ohne eine Erlaubnis abzuwarten.
Otto lehnte den Rücken an die Wand und sah kopfschüttelnd zu seinem Vater hoch. »War das wirklich nötig? Ist das die Art, wie wir unsere Dankbarkeit zeigen?«
Endlich setzte der König sich zu ihnen an die Tafel, nahm den Becher, den Mathildis ihm reichte, und trank dankbar. Dann antwortete er: »Wir werden uns dem Slawenbengel schon erkenntlich zeigen, keine Bange. Er bekommt ein paar Münzen – Silber haben sie alle gern –, und die kann er in der Stadt verprassen. Dann ist er zufrieden.«
»Er kann ja nicht mal die Pfalz verlassen«, widersprach Otto. »Und außerdem …«
»Herrgott noch mal, Otto, wir haben Wichtigeres zu besprechen«, fiel der König ihm unwirsch ins Wort. »Und zwar wir alle.« Er sah sie der Reihe nach an. Mathildis nickte ihm verstohlen zu. Thankmar schloss, dass sie bereits wusste, was der König ihnen zu sagen hatte. Hier kommt der Tiefschlag , fuhr es ihm durch den Kopf. Unauffällig schob er Egvinas Fuß von seinem Bein.
»Ich habe den Hoftag in Quedlinburg einberufen, um mit den Fürsten unser weiteres Vorgehen gegen die Slawen und auch die Ungarn zu beraten«, begann der König und legte die Hände um seinen Becher. »Aber der eigentliche Grund ist ein anderer. Ich werde alt. Jeden Tag kann es passieren, dass Gott mich abberuft. Und darum ist es wichtig, dass meine Nachfolge geregelt wird, und zwar im Einvernehmen mit den Herzögen, den Grafen und den Pfaffen. Ich will … mein Haus ordnen.« Er sah seine drei Söhne der Reihe nach an. »Ich weiß, dass es im fränkischen Reich üblich war und ist, den Besitz des Vaters auf alle Söhne aufzuteilen. Aber ich gedenke nicht, das zu tun, denn unser Reich würde auseinanderbrechen. Ich weiß ebenso, dass andere es für richtig erachten, den erstgeborenen Sohn als Erben einzusetzen. Aber auch das werde ich nicht tun.«
Er legte wieder eine kleine Pause ein, und das gab Thankmar Gelegenheit zu spötteln: »Hm, lasst uns nachdenken, Vater. Wen könntet Ihr zu Eurem Nachfolger bestimmen. Doch nicht etwa Otto?«
»Ganz recht.« Der König nickte ernst. »Die Königin ist anderer Ansicht. Sie glaubt, Henning sollte es werden.«
»Und noch eine Überraschung«, sagte Thankmar zu den Deckenbalken. »War uns doch bis heute nie klar, dass die Königin ihren Erstgeborenen verabscheut. Warum auch immer …«
»Du täuschst dich, mein Lieber«, konterte Mathildis, ohne seinen Köder zu schlucken. »Aber Henning ist im Purpur geboren: Sein Vater war bei seiner Geburt bereits König. Bei Ottos nicht. Deswegen werden die Fürsten Henning einhelliger als Nachfolger akzeptieren als Otto.«
»Aber wieso darf ich dann nicht König werden?«, quengelte Henning. »Bedeutet das nicht, dass ich besser bin?«
»Das bedeutet es nicht«, stellte der König klar, und es war seine Gemahlin, die er dabei anschaute. Dann fuhr er Henning ein wenig ruppig über den Blondschopf. »Mach dir keine Sorgen, mein Junge. Wir finden ein schönes Herzogtum für dich, wenn die Zeit kommt.«
»Und wer genau soll es sein, der sein Herzogtum für Henning räumt?«, erkundigte sich Mathildis. »Arnulf von Bayern vielleicht, der so gerne an deiner statt König geworden wäre, mein Gemahl? Oder Eberhard von Franken, dieser Ränkeschmied? Oder …«
»Henning ist erst zehn; ich würde sagen, die Frage drängt noch nicht«, fiel der König ihr ins Wort, und irgendetwas an seinem Ausdruck bewog alle an der Tafel Versammelten, den Mund zu halten.
Ein paar Herzschläge lang war nichts zu hören bis auf das Zischen der Fackeln in den mannshohen schmiedeeisernen Ständern und das unvermeidliche Geträller der königlichen Vögel. Schließlich fragte Otto: »Und was ist, wenn ich nicht will?«
Thankmar stieß einen langen Atemzug aus, und alle
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