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Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Haupt der Welt: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rebecca Gablé
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irgendeinem Tiefschlag, der ihm bevorstand und von dem er noch nichts ahnte. Zu ihrem kleinen Liebling sagte sie tröstend: »Sei nachsichtig mit deinen Brüdern und tu Otto den Gefallen, Henning. Auch wenn du und ich wissen, dass es nichts als Scharlatanerie ist und wir hier nur unsere Zeit verschwenden.«
    »Ich glaube nicht, dass es Zeitverschwendung ist, herauszufinden, was Otto krank gemacht hat«, widersprach Editha. »Besser jetzt, als ein erneuter Anfall auf dem Hoftag vor den Augen der Fürsten.« Sie sah ihrer zukünftigen Schwiegermutter in die Augen. »Oder seid Ihr anderer Ansicht?«
    Tugomir schenkte diesen kleinen familiären Scharmützeln keinerlei Beachtung, sondern legte Otto nacheinander die Zutaten aller Speisen in die Hand, die am Tag seiner Erkrankung und tags zuvor in der Halle serviert worden waren, und bei jeder neuen Zutat ließ er ihn seine Kräfte gegen die seines kleinen Bruders messen. Das Ergebnis blieb immer das gleiche, beim Fenchel ebenso wie bei Eiern und Käse, Weizen- und Roggenbrot, Bärlauch und Blutwurst.
    Thankmar seufzte verstohlen. Er hätte nie gedacht, dass es ihn langweilen könnte, Henning gedemütigt zu sehen, aber allmählich hatte er genug von dessen weinerlicher Miene. Er trank einen Schluck und tauschte einen Blick mit Egvina, die ihm direkt gegenübersaß, irgendeine Stickarbeit in Händen. Sie lächelte, scheinbar abwesend, aber im nächsten Moment spürte er ihren Fuß sein Bein hinaufwandern.
    Tugomir stellte einen winzigen Krug Honig in Ottos Hand. »Und noch einmal.« Er war weder besonders schroff noch besonders höflich. Nur konzentriert.
    Otto und Henning wandten sich einander zu und verschränkten die Hände wie zuvor. Ein wenig verlegen hob Otto die Schultern und sagte: »Tut mir leid, Henning, wirklich. In ein paar Jahren kannst du’s mir heimzahlen, he?« Er zwinkerte seinem kleinen Bruder verschwörerisch zu.
    »Jetzt«, befahl Tugomir, und im nächsten Moment landeten Ottos Hand und Unterarm auf der Tischplatte.
    »Was?«, stieß der Unterlegene ungläubig hervor.
    Henning reckte die Faust in die Luft und johlte.
    Fassungslos wandte Otto sich an Tugomir. »Was ist das für ein Zauber, den du hier wirkst?«, fragte er argwöhnisch.
    Tugomirs Mundwinkel verzogen sich für einen kurzen Moment nach oben. »Es hat nichts mit Zauberei zu tun.« Er nahm ihm den Honigtopf ab. »Noch einmal.«
    Ohne den Honig in der Hand besiegte Otto seinen Bruder mühelos im Armdrücken. Tugomir gab ihm das Töpfchen zurück. Otto verlor.
    »Es ist der Honig, der dich krankgemacht hat«, erklärte Tugomir. »Du siehst, wie er dich schon schwächt, wenn du ihn nur in der Hand hältst.«
    »Aber das kann nicht sein«, protestierte Otto. »Ich esse jeden Tag Honig. Ich trinke jeden Tag Met. Ich …« Er zuckte die Achseln. »Ich bin versessen auf Honig.« Er warf einen verstohlenen Blick zu seiner Braut, offenbar um festzustellen, ob sie ihn auch weiterhin vergötterte, nachdem er diese kindische Schwäche eingestanden hatte. Das war natürlich der Fall. Thankmar verdrehte die Augen, und Egvina lächelte mokant auf ihre Stickerei hinab.
    »Was habe ich gesagt?«, schnauzte der König. »Firlefanz!«
    »Hm«, machte Tugomir abwesend, den es nicht im Mindesten zu erschüttern schien, dass seine Diagnose offenkundig falsch war. Mit dem Daumennagel löste er den Wachsverschluss des Honigkrugs und schnupperte daran. Dann nahm er ein hölzernes Schälchen voll frischer Blätter aus seiner wunderlichen Schale und reichte sie Otto. »Noch einmal.«
    Langmütig wie immer, nahm Otto die Schale in die Linke, und Henning errang seinen dritten Triumph. Glücklicherweise war es auch der letzte.
    Tugomir nahm Otto das Gefäß ab und hielt es ihm zur Begutachtung hin. »Das ist Pimpernell. Der Honig ist damit gewürzt«, erklärte er.
    »Ja, das würde ich an deiner Stelle jetzt auch behaupten«, bemerkte Thankmar amüsiert, was ihm den zweiten mörderischen Blick dieses Abends einbrachte, dieses Mal von Tugomir. Der trat zu ihm und hielt ihm den Honigkrug unter die Nase.
    Thankmar zuckte beinah zurück, als er den frischen, prickelnden Duft wahrnahm. Dann hob er die Schultern und bekannte: »Er hat recht. Eindeutig Pimpernell.« Er stand auf und drosch Tugomir auf die Schulter, ehe dieser sich in Sicherheit bringen konnte. »Gut gemacht.«
    Der König brummte zustimmend, vollführte aber gleichzeitig eine ungeduldige Geste. »Wir sind dir dankbar für deine Dienste, Prinz Tugomir. Aber

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