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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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Luft. »Ich kann doch nicht ...«, begann ich zu protestieren. Dann schüttelte ich den Kopf. »Mann, Sie haben doch einen Knall. Ich will keine Geheimnisse von Ihnen kaufen. Mich interessiert nur, wer da wohnt und warum Heathcote Manor als Spukhaus gilt. Nicht mehr.« Ich stand auf.
    Er sah zu mir auf, und ich glaubte, ein rötliches Funkeln in seinen Augen zu erkennen. Der Widerschein des Ofenfeuers. »Jetzt reg dich ab«, sagte er versöhnlich. »Du hast da was in den falschen Hals gekriegt. Ich bin nicht scharf auf euer Familiensilber. Aber dein Daddy hat sicher eine gut sortierte Hausbar, he? Schriftsteller saufen doch alle.« Er grinste. »Für jede feine Flasche, die du mir bringst, kriegst du eine Information. Deal?«
    Mir lag ein »Das ist nicht Ihr Ernst« auf der Zunge, aber ich schluckte es runter. Es war sein Ernst, sein voller, tödlicher Ernst. Ich nickte knapp und ging zur Tür.
    »Warte«, rief er mir hinterher. »Du kriegst sogar was umsonst.« Ich hörte den Joker in seiner Stimme und wäre am liebsten geflüchtet, aber die Neugier ließ mich noch einmal umzudrehen. Er grinste mich an. »Such’s dir aus. Was willst du wissen?«
    »November«, sagte ich unwillkürlich und biss mir gleich darauf auf die Lippe. Warum hatte ich das gesagt?
    »November«, wiederholte er und runzelte die Stirn. »Was ist damit?«
    »Nichts, nichts«, beeilte ich mich, meinen Fehler wiedergutzumachen. »Es war nur so ein Gedanke.«
    I n seinem Gesicht arbeitete es. »November ...«, wiederholte er langsam. »Natürlich. Das Vandenbourgh-Mädchen.« Langsam zogen sich seine Lippen zu einem breiten Joker-Grinsen auseinander. Ich drückte hastig die Tür auf, denn ich wollte nicht hören, was er zu sagen hatte. Nicht, wenn der Joker ihn ritt.
    »Sie ist verrückt«, rief er mir mit schriller Stimme hinterher. »Hat in der Klapsmühle gesessen. Ist erst Weihnachten rausgekommen. Alle warten darauf, dass sie wieder abgeholt wird!«
    Ich knallte die Tür hinter mir zu und rannte davon.

13
    Natürlich konnte ich der Versuchung nicht widerstehen. Ich schlich um den »Giftschrank« herum, wie Toby ihn zu nennen pflegte, und kaute auf den Nägeln. Der Schrank war abgeschlossen, wie immer. Ich wusste aber, wo Toby den Schlüssel verwahrte. Es wäre ganz leicht, eine Flasche Gin herauszunehmen, ohne dass es auffiel. Keiner hier im Haus trank Gin, aber Toby – oder besser gesagt »Erica Mooreland« – bekam ihn immer mal wieder von seinem Verleger oder von Fans geschenkt, seit in einer Zeitung einmal zu lesen gewesen war, »Erica« stünde auf das Zeug. So ähnlich war es mit dem Whisky. Dessen Abhandenkommen wiederum wäre aufgefallen.
    Also Gin. Es war doch egal, was ich Skegg brachte, so wie der aussah, trank er alles, solange es nur genügend Umdrehungen hatte.
    »Êdorian«, hörte ich das besorgte Murmeln des Roshis. »Junge, verbrenn dir nicht die Finger. Daraus entsteht nichts Gutes. Geheimnisse sind wie Giftschlangen. Sie lauern still im Gebüsch, und wenn du nicht damit rechnest, kommen sie heraus und beißen dich.«
    »Ist gut, Roshi«, antwortete ich und fummelte den Schlüssel u nter dem vorletzten Brett des Bücherregals hervor. Ich zog den Klebestreifen ab und schloss den Giftschrank auf. »Das Zeug wird keiner hier vermissen. Außerdem – was weg ist, kann nicht verschüttet werden.« Das war ein Spruch, mit dem Jonathan meinen Vater immer ärgerte.
    Der Roshi seufzte nur. Ich sah mich um, aber er war schon wieder verschwunden.
    Für einen Moment geriet ich ins Grübeln. Warum hatte ich Toby nicht einfach gefragt, ob ich den Gin nehmen könne? Ich wollte ihn schließlich nicht selbst trinken. Aber irgendwas sagte mir, dass mein Vater nicht sonderlich erfreut darauf reagieren würde. Ich konnte ihn förmlich hören: »Du willst den örtlichen Säufer subventionieren? Kannst du das verantworten?«
    Nein, es wäre dumm, ihn zu fragen. Wenn er Nein sagte, konnte ich mich darüber nicht hinwegsetzen. Mit ein bisschen Glück würde er gar nicht bemerken, dass ich seine Vorräte erleichterte, und dann brauchte sich keiner von uns Gedanken zu machen.
    »Meinst du nicht, du machst es dir ein bisschen zu leicht?«, hörte ich den Roshi sagen. Ich zog es vor, ihn zu ignorieren.
    Der Schrank war gut gefüllt. In der vordersten Reihe standen eine angebrochene und zwei volle Flaschen Whisky und eine angebrochene Wodkaflasche. Dahinter kamen verschiedene mehr oder weniger volle Flaschen mit Sherry, Cognac, Rum, Martini und einem

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