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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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giftgrünen Likör, die teilweise recht angestaubt aussahen. Warum Toby die mitgenommen hatte, war mir nicht ganz klar. Wir bekamen hier nicht besonders oft Besuch ...
    In der dritten und vierten Reihe standen die Ginflaschen, bestimmt fast ein Dutzend. Ich musste lachen. Niemand rührte das Zeug je an, aber Toby brachte es auch nicht über sich, sie e infach wegzuschmeißen. Oder zu verschenken. An zwei Flaschen baumelten kleine Geschenkanhänger, drei waren noch in Papier gewickelt.
    Ich räumte die vorderen Flaschen beiseite und griff mir zwei von den Ginflaschen. Dann schob ich alles so zusammen, dass nicht auffiel, dass sie herausgenommen worden waren. Toby würde kaum nachzählen – wahrscheinlich wusste er noch nicht mal, wie viele davon im Schrank herumstanden.
    Ich schloss den Schrank ab, klebte den Schlüssel wieder unter das Regalbrett und machte, dass ich mit meiner Beute aus dem Zimmer kam.
    Es war schon zu spät, um noch einmal zum Pilchards’ Bay zurückzukehren. Ich konnte Toby und Jonathan unten in der Küche hören, Jonathans Brummbass und Toby, der über seine Bemerkungen lachte. Ich verstaute die Flaschen unter meinem Bett und lief hinunter. »Bin noch mal kurz weg«, rief ich durch die Küchentür.
    »Okay«, antwortete Toby, und Jonathan rief: »Das Essen ist in einer halben Stunde fertig, bleib nicht so lang.«
    Ich zog die Tür hinter mir zu und blickte zum Nachbarhaus hinüber. Es dämmerte und der Wind vom Meer pfiff durch das Geäst der Bäume. In der Ferne konnte ich das Licht des Leuchtturms sehen, das aufblitzte, erlosch, aufblitzte. Die Luft war kalt und schmeckte salzig, als ich mir über die Lippen leckte.
    In Heathcote Manor brannte Licht. Es war schwach, flackerte wie das einer Kerze. Dort war jemand, auch wenn Lizzie und Eliette behaupteten, das Haus würde leer stehen. Ich steckte die Hände in die Jackentaschen und trat von einem Fuß auf den a nderen. Eigentlich hatte ich nur zur Klippe gehen wollen, ein bisschen unter meiner Kiefer hocken und dem Leuchtturm zusehen, wie er sein Licht über das Wasser schickte.
    Ich war schon über die Mauerreste geklettert und lief auf das Herrenhaus zu, ehe mir selbst klar wurde, wohin ich ging. War das Einbruch? Ich war bis jetzt ja nur auf dem Grundstück. Nova hatte ja auch diesen Mauereinbruch benutzt, um unseren Garten zu betreten. Und ich würde nur kurz nachsehen, ob sich jemand dort aufhielt, und dann sofort umdrehen.
    Das düstere Gemäuer wurde umso unheimlicher, je näher ich kam. Licht konnte ich keins mehr entdecken – wahrscheinlich hatte ich die Spiegelung des Leuchtfeuers in einer Fensterscheibe für Kerzenlicht gehalten. Es war still. Ich sollte umkehren, hier gab es nichts zu entdecken. Die Dämmerung war jetzt so weit fortgeschritten, dass ich im weiteren Umkreis kaum noch Einzelheiten erkennen konnte.
    Aus der Nähe wirkte das Gebäude vollkommen unbewohnt und glich eher einer Ruine als einem Herrenhaus. Ich stand vor der Seitentür, an der ich November gesehen hatte, und blickte an der Fassade empor. Was hatte sie nur hier gewollt? Oder hatte ich mich doch getäuscht und sie war gar nicht hier gewesen? Mir schwirrte der Kopf. Und wie konnte ich nur vermutet haben, dies wäre ein normales, bewohntes Haus?
    Ich drückte die Klinke herunter, aber die Tür war abgeschlossen. Durch das Fenster daneben konnte ich nur Dunkelheit erkennen. Ich ging ums Haus herum, stolperte über Erdhügel, Steine und Grasbüschel. Alles war ungepflegt, heruntergekommen, kaputt. Ich konnte die Löcher im Mauerwerk sehen, in denen Efeu und anderes Grünzeug wucherte. Im oberen Ge s choss waren wohl Fensterscheiben eingeworfen worden, zackige Glasscherben steckten in den Rahmen wie Reißzähne.
    Ich blieb dort stehen, den Kopf in den Nacken gelegt, und starrte die kaputten Fenster an. Das war die Seite, die ich von unserer Küche aus sehen konnte. Diese Fenster waren es, hinter denen ich geglaubt hatte, Gardinen und sich bewegende Menschen zu bemerken. Und heute Mittag hatten sie noch heil und ganz ausgesehen!
    Etwas zischte in mein Ohr, kicherte, rührte mich mit kalten Fingern an. Ich drehte mich nicht um. Dies war genau der Ort und die Gelegenheit, die der Joker auszunutzen pflegte. Ich wollte ihm die Genugtuung nicht geben, dass ich schrie oder mich erschreckt umdrehte. Stattdessen biss ich die Zähne zusammen, ballte die Fäuste und stolperte weiter über den unebenen Grund zur Vordertür.
    Eine breite Treppe führte hinauf zu der imposanten

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