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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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irgendwelche in Tücher gehüllte Gegenstände, verschnürte Körbe, alles voller Spinnweben und Staub. Hier schienen Generationen von Vandenbourghs ihr Zeug abgestellt und vergessen zu haben.
    November marschierte an all dem Gerümpel vorbei, ohne ihm auch nur einen Blick zu schenken. »Das ist der älteste Teil des Hauses«, sagte sie wieder. »Alles oberhalb der Keller ist in den vergangenen Jahrhunderten mehrfach abgebrannt und wieder aufgebaut worden. Aber der Keller ist immer noch genauso wie zu Anfang. Er soll sogar noch viel älter sein als das Haus selbst, heißt es.« Sie klang aufgeregt, ein wenig atemlos. Ich machte zustimmende Geräusche. So irre spannend fand ich das jetzt nicht, obwohl es schon verrückt war, in einem so historischen Kasten herumzuirren.
    »Wie lange gehört deiner Familie Heathcote Manor schon?«
    Sie schwenkte ihre Lampe und verzerrte Schatten tanzten über die Wände. »Einer meiner Vorfahren hat das Haus erbauen lassen«, sagte sie hochmütig. »Seitdem wohnt der nächste männ l iche Verwandte in Heathcote Manor.« Sie verzog das Gesicht. »Ich habe keinen Bruder, also wird ein entfernter Cousin das Haus erben, wenn mein Vater stirbt.«
    »Und du? Was wird dann mit dir?«
    Sie sah mich reglos mit ihren hellen Augen an. »Ich bin das Winterkind, die Novemberbraut.« Sie zuckte die Achseln. »Gehen wir weiter?«
    Schon wieder dieser Ausdruck. »Was bedeutet das?«
    Sie marschierte mit energischen Schritten voran. »Das bedeutet, dass ich mir über meine Zukunft keine Gedanken machen muss«, rief sie zurück. »Das Haus wird für mich sorgen.«
    Was immer das heißen mochte.
    Das Licht der Lampe reichte gerade aus, um die nächsten drei Schritte zu beleuchten. Der Boden wurde immer unebener und holpriger. Es roch stark nach Salzwasser und ein wenig nach Fisch.
    »Wohin gehen wir?«, fragte ich ein bisschen beklommen. Ich stellte mir gerade vor, dass November sich mit ihrer Lampe davonmachte und mich hier im Finsteren zurückließ. Ich würde den Weg zur Treppe niemals alleine wiederfinden.
    »Dort drüben ist der Ausstieg zur Klippe«, antwortete sie. Ihr helles Haar leuchtete wie Schnee in der Dunkelheit. »Es wird dir gefallen, Adrian.«
    Wurde es heller? Ein silbriger Lichtschimmer glänzte um Novembers Gestalt und wurde immer stärker. Mondlicht? War es vorhin nicht noch Nachmittag gewesen?
    Dann hatten wir den Ausstieg erreicht, der hoch über unseren Köpfen lag. Eine Reihe von eisernen Sprossen in der Wand führten hinauf zu einer vergitterten Öffnung, durch die der Mond s chein fiel. November löschte das Licht, stellte die Lampe ab und drehte sich zu mir um. »Ich gehe vor«, sagte sie, »ich weiß, wie das Gitter geöffnet wird.« Sie griff nach ihrem Rocksaum und knotete ihn geschickt über der Hüfte. Ich konnte den Blick kaum von ihren schlanken Beinen mit den schmalen Füßen abwenden. Sie war so unglaublich hübsch, dass mir der Anblick beinahe wehtat. Wie gerne hätte ich jetzt versucht, sie zu küssen, aber die passende Gelegenheit hatte ich ja eben versäumt. Ich hatte nicht so sehr viel Übung darin, jemanden zu küssen, deshalb traute ich mich nicht, einfach zu ihr hinzugehen und es zu versuchen.
    »Los«, flüsterte Jeannie. »Jetzt oder nie, Ary. Auf in den Kampf, sie mag dich!«
    »Was hast du gesagt?« November, die schon nach der ersten Sprosse gegriffen hatte, drehte sich zu mir um und sah mich an. Ihre Blicke suchten die Umgebung ab. »Wer war das? Das Mädchen?«
    Die Frage verschlug mir die Sprache. »Hast du ...«, ich musste husten, weil ich mich vor Schreck verschluckt hatte, »hast du jemanden gesehen?«
    Sie starrte immer noch an mir vorbei. Jeannie war verschwunden, als November sich umdrehte. »Da war ein Mädchen«, sagte sie. »Sah aus, als käme sie vom Zirkus.« Sie runzelte die Stirn. »Hast du sie auch gesehen? Ich kannte sie nicht.« Sie zuckte die Schultern. »Hier gibt es eine Menge Gespenster. Ich dachte, ich würde sie alle kennen.«
    Sie drehte sich wieder um und begann, die Sprossen hinaufzusteigen. Dann verdeckte sie das einfallende Licht und ich stand im Dunkeln.
    I ch starrte ihr nach. Was hatte sie gesagt? Gespenster? Und sie hatte Jeannie gesehen? Das war doch kaum möglich. Jeannie war meine Halluzination, sie war ungefähr so real wie Harry Potter. Wahrscheinlich hatte ich mir ihre Worte gerade auch nur eingebildet. Manchmal wusste ich selbst nicht mehr, was wirklich war und was nur in meinem Kopf passierte.
    »Kommst du?«,

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