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Das Haus am Abgrund

Das Haus am Abgrund

Titel: Das Haus am Abgrund Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Gerdom
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...« Ich unterbrach mich, weil anstelle des Roshis Ms Dickins vor mir stand u nd mich sehr merkwürdig ansah. Ich schluckte, hustete, lächelte sie an und murmelte etwas davon, dass ich auf mein Zimmer ... hrrrrmmmm ... Dann rettete ich mich die Treppe hinauf.
    *
    Der Roshi saß im Sessel am Fenster und las in einem von Skeggs Notizbüchern, während er gedankenverloren seinen Bart zwirbelte. Ich hockte mich auf mein Bett und holte die Sammlung an modrig riechendem Papier wieder aus meinem Rucksack. »Was hältst du davon?«, fragte ich den Roshi.
    »Sehr interessant«, murmelte er, ohne aufzublicken. »Er wirkt ein bisschen verwirrt, meinst du nicht?«
    Ich konnte ihm nicht widersprechen. Milton Skegg hatte auf mich den Eindruck von jemandem gemacht, der von einem Rudel Werwölfe verfolgt wird.
    Wir saßen eine lange Zeit in einträchtigem Schweigen da und reichten uns immer das hinüber, was wir gerade gelesen hatten.
    Es war eine wilde Sammlung von Statistiken und Zeitungsberichten, die alle das Gleiche sagten. St. Irais war ganz offensichtlich der friedlichste und freundlichste Ort, den man sich denken konnte, die Menschen waren glücklich und gesund und lebten in Frieden und Wohlstand.
    Skegg hatte Daten aufgelistet, die ähnlich strukturierte Ortschaften in Cornwall und im Rest des Landes verglichen. An St. Irais waren Schrecken wie Naturkatastrophen, Wirtschaftskrisen und Epidemien vollkommen vorbeigegangen. Die große Sturmflut vor einigen Jahrzehnten, die drei Nachbarorte vollkommen verwüstet hatte ... St. Irais war wie durch ein Wunder verschont g eblieben. Es hatte rundum Vorfälle von Kinderlähmung und BSE, Maul- und Klauenseuche und in früherer Zeit von Pocken und Diphterie gegeben – nicht in St. Irais. Dies war die Insel der Seligen.
    Auch die Zahl der Arbeitslosen war hier deutlich geringer als in der Umgebung. Die Menschen wurden im Schnitt älter als die aus den Nachbargemeinden und sie blieben dabei gesünder.
    Ich sah den Roshi an. Milton Skegg hatte all das in mühevoller Kleinarbeit zusammengetragen, weil er es für wichtig gehalten hatte. Aber was bedeutete es? Dass St. Irais ein Ort war, an den man seinen Wohnsitz verlegen sollte, hätte ich gesagt.
    Der Roshi lächelte. »Wenn du dem glänzenden Schein misstraust, dann sieh dir die Rückseite an«, sagte er.
    Die Rückseite. In unregelmäßigen Abständen brach hier in diesem idyllischen Dorf die Hölle aus. Dann verschwanden Menschen spurlos, vor allem Kinder. Es gab blutige und grausame Morde und erstaunlich oft ging ein Haus in Flammen auf und nahm all seine Bewohner mit.
    Es war unheimlich, das alles nacheinander zu lesen. Urplötzlich brach an diesem friedlichen Ort irgendetwas Böses auf, wie ein Eitergeschwür, überflutete St. Irais mit gewalttätigen Ereignissen und entschwand wieder für etliche Dekaden. Es war, als erwachte ein böser Geist aus seinem Winterschlaf, fräße sich voll und würde dann wieder in seine Höhle zurückkehren.
    Ich bekam eine Gänsehaut. Jetzt verstand ich das wirre Gekritzel, das ich in dem zerfledderten Notizbuch gefunden hatte. Es sprach davon, dass Heathcote Manor das Zentrum dieser Geschehnisse war.
    Tief unter uns, in der Klippe über dem Meer, hieß es, sollten s ich Höhlen befinden und in diesen Höhlen uralte Kultstätten. Das Haus auf den Knochen ... so wurde es manchmal genannt. Das klang böse. Richtig böse.
    Aber wenn ich diesem Gedanken folgte, bewegte ich mich schnurstracks auf den Wahnsinn zu. Ich wollte nicht daran glauben, dass unter meinen Füßen ein uralter, böser Geist schlief, dass es dort vergessene Stätten geben sollte, an denen blutige Opfer geschehen waren. So etwas passierte in Filmen. Nicht in der Wirklichkeit.
    Ich warf das Notizbuch auf den Haufen mit Zeitungsberichten und rieb mir fest übers Gesicht, um mich wieder ins Hier und Jetzt zurückzuholen. Ich weiß nicht, was ich mit Skeggs Hilfe herauszufinden gehofft hatte, aber so etwas jedenfalls nicht. Wir lebten im Zeitalter von Handys und Internet, Spaceshuttles und Teilchenbeschleunigern. Reiß dich zusammen, Adrian!
    Dann hörte ich Jonathan von unten rufen: »Ary! Vergiss deine Verabredung nicht!« Die dunkle Wolke wich, alle Gedanken an böse Geister zerfaserten wie Nebel in der Sonne.
    Ich rief eine Antwort und sprang auf. Meine Jeans war nicht die sauberste, ich zog mich wohl besser um. Während ich aus meinen Sachen stieg, sagte ich: »Was meinst du, Roshi, soll ich Skeggs Zeug mitnehmen zu Ms

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