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Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Hyde Park: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monica McInerney
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ja, aber das Wissen hilft nicht. Ich muss trotzdem ständig an den Tag denken und an die Tage danach. Die aber verschwimmen. Ich weiß nur noch, dass ich furchtbar geweint habe und unbedingt zu Ella wollte, sie mich aber nicht in ihrer Nähe wollte. Ich mache ihr natürlich keinen Vorwurf, doch sie weigert sich bis heute, mit mir zu reden oder mich zu sehen. Das wird möglicherweise immer so bleiben, sagt meine Therapeutin, damit muss ich mich abfinden. Aber Aidan war bei mir. Er ist am nächsten Tag zu mir ins Hotel gekommen. Ich hatte unter Schock gestanden, und er ist auf mein Zimmer gekommen, hat mich umarmt und gesagt: »Es war ein Unfall, Jess. Ich weiß, dass es ein Unfall war.« Und ich habe furchtbar geweint, er auch, wir haben beide geweint, und ich habe ihn gefragt, ob Ella auch kommt, aber er hat Nein gesagt. Ich habe sie bei der Beerdigung gesehen, doch sie hat mich keines Blickes gewürdigt. Ich weiß nicht, ob sie an dem Tag überhaupt irgendjemanden oder irgendetwas gesehen hat. Ich habe sie die ganze Zeit beobachtet. Ich habe sie beobachtet, weil ich gehofft hatte, dass sie sich einmal umdrehen würde, nur einen Moment, und mich ansehen würde, damit ich mich bei ihr entschuldigen könnte, doch sie hat sich nicht umgedreht. Sie hat die ganze Zeit nur nach vorn gestarrt. Ich habe gehört, wie sie geweint hat. So etwas hatte ich noch nie gehört. Dad hat mich nach draußen geführt, bevor der Sarg aus der Kirche getragen wurde, aber ich habe trotzdem gesehen, dass Ella aufgestanden ist und furchtbar geweint hat und …
    Es tut mir leid. Ich muss hier abbrechen.

Kapitel 28
    Ich hatte Aidans Brief noch nicht gelesen.
    Ich hatte ihn seit vierundzwanzig Stunden, doch der Umschlag war noch ungeöffnet.
    Aidan hatte mir seit Monaten keinen Brief und keine E-Mail mehr geschrieben. Auf meinen Wunsch hin. Ich hatte Abstand gebraucht. Doch nun hatte er geschrieben, aus heiterem Himmel. Wieso? Ich hatte fast die ganze Nacht lang wach gelegen und über diese Frage nachgedacht. Und auch den ganzen Tag lang nachgedacht. Ehe ich den Brief öffnen konnte, musste ich mich wappnen. Am Ende gelangte ich zu dem Entschluss, dass es nur um zwei Dinge gehen konnte.
    Um Felix. Um den Gedenktag in wenigen Tagen. Ich stellte mir vor, was Aidan wohl geschrieben hatte.
    Ella, nächste Woche sind es zwanzig Monate …
    Die Idee, diesem Tag eine solche Bedeutung zu verleihen, stammte von Mum. Irgendjemand hatte ihr zum Trost gesagt, der Schmerz würde erträglicher, wenn erst einmal der Tag vorüber sei, an dem ein Kind genauso lang tot war, wie es gelebt hatte. Das war mir damals undenkbar erschienen. Das tat es heute noch. Wie sollte dieser Schmerz irgendwann erträglich werden? Aber in Mums Vorstellung war dieser Tag zu einem Wendepunkt geworden. Wir mussten nur bis dahin durchhalten. Sie hatte das auch mit Charlie besprochen. Er hatte es mir gegenüber erwähnt. Hatte sie mit Aidan ebenfalls gesprochen? War das der Anlass für den Brief? Um mir zu sagen, dass auch er an dieses Datum dachte?
    Oder ging es um etwas anderes?
    Etwas vollkommen anderes?
    Ella, ich habe jemanden kennengelernt. Ich will die Scheidung.
    Den ganzen Tag lang hatte ich zwischen diesen zwei Szenarien geschwankt. Ich war für keins davon bereit. Noch nicht. Ich brauchte noch einen Tag. Ja. Morgen. Morgen würde ich den Brief öffnen. Noch fand ich es einfacher, nicht zu wissen, was er sagte.
    Ablenken.
    Beobachten.
    Es war zehn Uhr abends. Ich war in meinem Zimmer. Es gab nichts zu tun. Ich hatte mein Zimmer längst auf Hochglanz poliert. Es war zu spät, um unten zu kochen oder zu putzen. So klappte ich meinen Laptop auf. Ich hatte seit Tagen keine E-Mails mehr gecheckt. Ich hatte zwei neue Nachrichten von Charlie, den wöchentlichen Bericht und eine Mail, in der fragte, wieso er nichts mehr von mir hörte.
    Das ließ sich auf der Stelle ändern. Später Abend in London hieß Nachmittag in Boston. Dort ging es auf die Höllenstunde zu, wie Charlie es nannte, Fütterzeit im Kinderzoo. Da war er garantiert nicht online, doch ich hatte den dringenden Wunsch, mit ihm zu kommunizieren.
    Ich schrieb rasch einige Zeilen. Aidans Brief erwähnte ich nicht.
    Tut mir leid, dass ich so still war. Hier das Neueste in Kürze: Henrietta will, dass ich Lucas überrede, das Haus zu verkaufen. Sie steht kurz vor der Scheidung. Und will im Anschluss mit Lucas nach Frankreich gehen. Braucht das Geld aus dem Verkauf, um ein neues Leben anzufangen.
    Ich schickte die E-Mail

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