Das Haus am Lake Macquarie
nicht, was für einen furchtbaren Tag ich hinter mir habe. Der Fotograf, der bei unserer Hochzeit fotografieren sollte, hatte einen Unfall. Also habe ich mich heute mit dem Kollegen getroffen, den er empfohlen hatte. Leider ist er völlig ungeeignet. Äußerst begabt, aber einer dieser Avantgardisten, die nur Schwarz-Weiß-Bilder machen. Ich habe ihm gesagt, dass ich für Schwarz-Weiß-Bilder kein weinrotes Kleid für meine Brautjungfer ausgesucht hätte. Doch er hat mir gar nicht zugehört. Und dann wollte er mir auch noch vorschreiben, wie ich mein Haar tragen sollte – als ob ich das nicht selbst am besten wüsste! Ich bin noch nie einem Menschen begegnet, der dermaßen von sich überzeugt ist.”
Luke war verblüfft. Er hatte noch nie erlebt, dass Isabel so energisch ihrem Unmut Luft machte. Und offenbar war sie noch lange nicht fertig.
“Was soll man auch von einem Fotografen erwarten, der sich als Künstler betrachtet. Er glaubt, er sei Gottes Geschenk an die Frauen. Und er trägt einen Ohrring in Form eines Gespensterkopfes. Ich weiß wirklich nicht, was wir machen sollen. Wahrscheinlich ist es zu spät, um einen geeigneten Fotografen zu finden”, sagte sie und seufzte tief. “Der Kerl heißt übrigens Rafe Saint Vincent. Bestimmt ist es ein Künstlername. Du meine Güte, ist das nicht lächerlich?”
Luke wünschte, Isabel würde endlich aufhören. Es sah ihr gar nicht ähnlich, sich so aufzuregen. Und jetzt würde er noch weitere schlechte Neuigkeiten überbringen. Offenbar spürte Isabel, dass etwas nicht stimmte. Sie schwieg und sah ihn an. “Du siehst aus, als hättest du in deiner Kleidung geschlafen, Luke. Rasiert hast du dich auch nicht. Und warum bist du überhaupt schon hier? Ich dachte, du wolltest das ganze Wochenende in der Hütte am Lake Macquarie verbringen.”
“Die Hütte war nicht mehr da. Sie ist schon vor einigen Jahren abgerissen worden. Mein Vater hat dort ein kleines Wochenendhaus gebaut. Dort habe ich übernachtet.”
“Aber …” Isabel runzelte verwundert die Stirn. “Wie bist du denn hineingekommen? Du hast doch wohl nicht das Türschloss aufgebrochen?”
“Nein. Eine junge Frau war dort, die in dem Haus das Wochenende verbrachte. Sie hat mich hineingelassen.”
“Und sie hat dich da ü
bernachten
lassen, ohne dich zu kennen?”
Luke seufzte. “Das ist eine lange Geschichte, Isabel. Lass uns hineingehen und in Ruhe darüber sprechen.”
Erschrocken sah sie ihn an. “Du machst mir Angst, Luke!”
Als er sie beim Arm nehmen und zum Haus führen wollte, machte Isabel sich los und blickte ihn voller Panik an. “Du … du willst die Hochzeit absagen, stimmt’s?”
Luke schluckte. Doch es hatte keinen Sinn, sie anzulügen. “Ja, das stimmt.”
Isabel barg das Gesicht in den Händen und schluchzte. “Oh nein, Luke, bitte tu mir das nicht an!”
Und zum dritten Mal innerhalb von vierundzwanzig Stunden schloss Luke eine weinende Frau in die Arme, um sie zu trösten.
“Es tut mir so leid, Isabel”, sagte er.
“Aber
warum?”
, rief sie verzweifelt und wütend. “
Warum?”
“Ich habe mich verliebt.”
Ungläubig sah Isabel ihn an. “Verliebt? Innerhalb eines Tages?”
“Ich kann es selbst kaum glauben. Aber es ist wahr. Ich bin hergekommen, um es dir zu erzählen und die Hochzeit abzusagen.”
“Aber du weißt doch, dass Liebe keine Garantie für eine glückliche Beziehung ist. Woher willst du wissen, dass diese junge Frau, in die du dich angeblich verliebt hast, dich nicht unglücklich machen wird?”, fragte sie ein wenig verächtlich. “Du kannst doch in so kurzer Zeit gar nicht ihren Charakter kennen gelernt haben. Vielleicht spielt sie dir etwas vor und hat es in Wirklichkeit nur auf dein Geld abgesehen. Oder sie ist eine Kriminelle.”
Luke war erschüttert über Isabels drastische Äußerungen. Offenbar war irgendjemand in der Vergangenheit ihr gegenüber unaufrichtig gewesen und hatte ihr sehr wehgetan.
Ja, früher hatte er geglaubt, ohne Liebe und Leidenschaft besser dran zu sein. Doch seit er die ganze Wahrheit über seine Eltern wusste, war ihm einiges klar geworden. Er hatte vor starken Gefühlen Angst gehabt, da sie unangenehme Erinnerungen aus seiner Kindheit in ihm wachriefen – daran, wie labil seine Mutter eine Zeit lang gewesen war. Doch dem Gefühl echter, tiefer Liebe konnte und wollte er sich nicht mehr verschließen. Und Luke war überzeugt, dass er ein glückliches, erfülltes Leben mit Celia führen würde. Sie würde ihm
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