Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
ist passiert?« Sie lässt sich auf einen Stuhl fallen und vergräbt den Kopf in den Händen.
»Ein Fotograf von der Zeitung.«
Sein missbilligendes Knurren verrät ihr, was er denkt. Er hat es gewusst, er hat gewusst, dass sie es nicht riskieren durfte, sich öffentlich zu zeigen, nicht wenn Percy nach ihr sucht. Und sie hat es auch gewusst. Und sie hat es trotzdem getan, weil sie Erster-Klasse-Fahrkarten nach Sydney und New York für sich und Xavier buchen will, weil sie ein schönes Haus mieten möchte, wenn sie dort angekommen ist. Sie will zu viel. Und diejenigen, die zu viel wollen, sind oft so töricht, alles zu riskieren.
Isabella steht in einem abgeänderten Kleid von Berenice vor deren Haustür. Auf der anderen Straßenseite wartet Matthew mit dem Gepäck. Ein Mädchen holt gerade die Dame des Hauses, und Isabella hat keine Ahnung, ob Berenice wütend reagieren wird, weil sie gestern Abend weggelaufen ist. Doch sie hat ein Geschenk mitgebracht, das sie Berenice um jeden Preis übergeben muss.
Die Tür öffnet sich wieder, und Berenice steht vor ihr, den hübschen Mund zu einer Linie zusammengepresst.
»Berenice, Lady McAuliffe. Ich möchte mich entschuldigen …«
»Weil Sie mich vor der Frau des Gouverneurs unmöglich gemacht haben? Nur zu. Entschuldigen Sie sich. Ich werde monatelang unter dieser Blamage zu leiden haben, aber es gibt keinen Grund, weshalb Sie sich nicht mit einem schlichten ›Es tut mir leid‹ Erleichterung verschaffen sollten.«
Isabella schluckt ihr schlechtes Gewissen hinunter. »Ich musste gehen, genau in diesem Augenblick, keine Sekunde später. Und es tut mir tatsächlich leid. Ich hätte Ihnen gern die Peinlichkeit erspart, aber … Meine Sicherheit stand auf dem Spiel.«
»Noch mehr Geheimnisse, Mary?«
»Leider ja. Sie waren so freundlich zu mir, freundlicher, als ich es verdient habe. Dürfte ich bitte kurz eintreten? Ich habe ein Geschenk für Sie.«
Berenice zögert, aber sie hat ein gutes Herz und ein von Natur aus sonniges Gemüt. Daher lächelt sie und tritt beiseite, um Isabella hereinzulassen.
»Kommen Sie in den Salon, meine Liebe. Ich habe gerade Tee getrunken, aber es sind noch ein paar Teekuchen da, falls Sie einen möchten.«
»Nein, nein.« Isabella löst ihren Hut. »Ich habe Ihre Großzügigkeit schon viel zu oft in Anspruch genommen. Ich bin gekommen, um Ihnen etwas zu schenken.«
Berenice schließt die Salontür und bietet Isabella einen Platz auf der Chaiselongue an. Diese öffnet ihre seidene Tasche und holt einen Anhänger heraus: den einzigen, den sie gemacht hat. Sie hat beinahe ihre Finger dafür geopfert, so schwer war es, die Glieder miteinander zu verbinden. In der Mitte hängt ein einzelner Diamant, der einzige Diamant aus dem Amtsstab. Er wird umrahmt von zwei schimmernden schwarzen Steinen, die sie in Lighthouse Bay am Strand gefunden hat: Zwillinge, von genau der gleichen Größe und Form. Sie hat sie tagelang betrachtet und konnte nicht fassen, dass sie tatsächlich vollkommen gleich aussahen. Dann beschloss sie, diese besonderen Steine in ein besonderes Geschenk für Berenice einzufügen. Die Steine sind in schmale Bänder aus rosa Seide gewickelt. Der Diamant wird zierlich und doch fest von engen Spiralen aus Silberdraht gehalten.
Berenice starrt ihn an. »Den haben Sie für mich gemacht? Aber er ist ein kleines Vermögen wert.«
»Ich habe jetzt alles, was ich brauche«, antwortet Isabella.
»Ich doch auch, meine Liebe. Ich bin eine reiche Frau.«
»Dies ist kein materielles Geschenk. Es ist ein Zeichen meiner Dankbarkeit und Liebe. Alles Gute, das ich in letzter Zeit erfahren habe, verdanke ich Ihnen und Ihrem Tun.«
Berenice wendet sich ab. Ihre Augen sind feucht. »Sie faszinieren mich immer aufs Neue, Mary Harrow. Ich nehme an, dass es das zehnte Stück ist. Ich hatte mich schon gefragt, weshalb Sie nur neun zum Tee mitgebracht hatten.«
»Dies ist das zehnte und letzte Stück. Ich bin gekommen, um mich von Ihnen zu verabschieden, Berenice. Ich werde bald eine lange Reise antreten und kann Ihnen nicht verraten, wohin ich fahre. Also fragen Sie bitte nicht danach.«
»Geheimnisvoll bis zum Schluss, was? Nun, ich muss sagen, ich bin ein bisschen gekränkt. Ich hätte Ihre Geheimnisse bewahrt.« Sie schließt Isabella in die Arme und drückt sie fest an sich. »Passen Sie gut auf sich auf, meine Liebe. Und lassen Sie mich eines Tages wissen, ob Sie noch auf der Welt sind und wie es Ihnen ergangen ist.«
»Ich werde
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