Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
mein Bestes tun. Und glauben Sie mir, ich werde Sie nie vergessen.«
»Ich Sie auch nicht.«
Isabella verlässt das kühle Haus und kehrt zurück auf die schwüle Straße. Matthew kommt ihr entgegen, als sie den Hut wieder festbindet.
»Du siehst traurig aus.«
»Das bin ich auch. Ich mache mich bereit, das alles hinter mir zu lassen.«
Er wendet sich ab, und sie begreift, dass auch er traurig ist. Doch wenn er oder Berenice wüssten, was sie vorhat, wären sie froh über ihren Aufbruch. Sie wären wütend. Sie würden sie verurteilen. Dieser Gedanke macht sie noch trauriger, und sie geht schweren Herzens neben Matthew her zur Anlegestelle.
Fünfundzwanzig
N ach Isabellas Rückkehr in den Leuchtturm werden die Tage zunehmend warm und feucht. Matthew erklärt, so gehe es jedes Jahr: ein paar heiße Tage im Frühling, donnernde Gewitter am Abend, dann eine Abkühlung bis Weihnachten. Isabella findet die warme, feuchte Luft enervierend. Die Müdigkeit steckt ihr in den Knochen.
Jeden Nachmittag, während Matthew schläft, geht sie hinunter an den Strand, um sich vom Meereswind abkühlen zu lassen. Sie sammelt Muscheln und Steine und denkt müßig über Schmuckstücke nach, die sie daraus machen könnte, setzt ihre Vorstellungen aber nie in die Tat um. Matthew fragt sie täglich, wann sie aufbrechen will, doch sie sagt, sie wolle noch eine Woche abwarten, bis die Hitzeperiode vorbei sei, sie habe Angst, ein Gewitter auf See zu erleben. Vielleicht denkt er, ihr Zögern hänge mit dem Abschied von ihm zusammen, was zum Teil auch stimmt. Aber sie weiß, dass sie ihn verlassen kann und muss, wenn sie das Leben führen möchte, das sie sich vorstellt.
Bei dem Gedanken daran ist ihr oft übel, weil sich ihr schlechtes Gewissen regt.
Als sie an diesem Nachmittag die grasbewachsenen Dünen hinuntergeht und auf den festen Sand tritt, weiß sie, dass es ein kurzer Besuch wird. Schon ballen sich Wolken wie graue Ambosse am Horizont zusammen. Sie spielt mit dem Gedanken, sofort zum Leuchtturm zurückzukehren, doch dann erregt etwas in der Ferne ihre Aufmerksamkeit: ein dunkelhaariger Junge, begleitet von einer großen, dünnen Frau.
Ihr Herz macht einen Sprung. Kann er es sein? Ist Xavier zurückgekehrt? Und wer ist die Frau? Sie sieht weder wie die Köchin noch wie Katarina aus. Vielleicht hat sich Isabella auch geirrt. Vielleicht ist der Junge gar nicht Xavier.
Sie steigt wieder die Düne hinauf und nähert sich im Schatten der Bäume. Doch, es ist Xavier, und sie spürt, wie Wärme ihren Körper durchflutet, als ihr klarwird, dass ihr Augenblick bald gekommen ist. Nicht heute, denn er ist in Begleitung, und sie ist noch nicht bereit. Aber das wird sie bald sein und einen Weg finden.
Wie sehr hat sie sich danach gesehnt, ihn in den Armen zu halten.
Er sucht Muscheln, während sein Kindermädchen ein wachsames Auge auf die Gewitterwolken hat. Isabella schleicht sich näher und näher heran, weil sie fürchtet, dass sie davoneilen werden, bevor sie ihn richtig gesehen hat. Doch dann wird ihr klar, dass sie nichts zu befürchten hat. Dieses neue Kindermädchen kennt sie nicht. Und Xavier spricht nicht. Sie kann zu ihnen gehen und sie begrüßen und vielleicht herausfinden, seit wann sie wieder zu Hause sind und wie lange sie bleiben werden. Sie tritt aus dem Schutz der Bäume und geht über den Sand auf sie zu.
Das Kindermädchen blickt hoch. Eine junge Frau mit hartem Gesicht und großen, eckigen Händen. Sie schaut verwirrt, als ihr klarwird, dass Isabella mit ihr sprechen will.
Isabella lächelt. »Hallo!«
Das Kind blickt auf. Seine Stirn zuckt und entspannt sich wieder. Er ergreift die Hand seines Kindermädchens und tritt hinter sie.
Isabellas Blut wird kalt. Hat er Angst vor ihr? Hat Katarina ihn gelehrt, sich vor ihr zu fürchten?
»Kann ich Ihnen helfen?«
Isabella bleibt vor ihnen stehen, die Augen auf Xaviers Gesicht gerichtet. Er weicht ihrem Blick aus. »Ich bin eine alte Freundin seiner Mutter«, lügt sie und kniet sich vor ihn hin. »Du hast doch keine Angst vor mir, Kleiner.«
Er schüttelt den Kopf und sagt klar und deutlich: »Ich kenne dich nicht.«
»Du kennst …?« Donnergrollen. Der Wind dreht plötzlich auf Süd, weht kalt, ist schwer vom Geruch des Regens.
»Sie müssen dem kleinen Master verzeihen, Ma‘am«, sagt das Kindermädchen. »Wir sind gerade heute aus Sydney zurückgekehrt, wo er ständig in Gesellschaft war. Er musste sich viele Namen und Gesichter merken.«
Isabella kann
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