Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
genießt sie den köstlichen Gedanken, dass ihr der Verkauf des Schmucks in Sydney genügend Geld einbringen wird, um eine Überfahrt nach New York zu buchen und ihre Schwester zu besuchen. Und zwar nicht auf einem elenden Segelschiff wie diesem, sondern auf einem schönen, großen, soliden Dampfer. Ihre Phantasie wird immer detaillierter, und mit jedem Detail wächst auch ihre Überzeugung, dass es irgendwie vorherbestimmt ist. Sie erfüllt nur ihr Schicksal. Die Winterbournes halten sie für labil und verrückt, und vielleicht ist sie das auch. Warum also sollte sie dann nicht davonlaufen? Sowohl ihr als auch Arthurs Vater sind tot, und die haben diese Verbindung arrangiert. Törichterweise. Die anderen Verwandten ihres Mannes wollen sie nicht: Sie würde ihn für eine andere Frau frei machen, vielleicht eine, die noch ein Kind gebären kann. Ihr Körper weigert sich, noch einmal Leben hervorzubringen. Sie vermutet, dass er sich noch immer nach Daniel sehnt, genau wie sie. Vielleicht würde seine neue Frau sogar seine wöchentlichen Aufwartungen genießen. Obwohl sie sich das kaum vorstellen kann. Sie weiß noch, wie sie mit fünfzehn oder sechzehn über die Geheimnisse der Liebe nachgedacht und sich alles sehr aufregend vorgestellt hat. Entweder hat sie sich geirrt, oder Arthur ist einfach unfähig.
Das Wetter ist schlechter geworden. Vielleicht kommt es ihr auch nur so vor, da sie schon seit zwei Tagen in ihrer Kabine eingesperrt ist. Sie könnte im Salon sitzen, wo das Salzwasser an die Fenster spritzt, aber dann wäre sie mit Meggy und Arthur zusammen. Das Meer ist stürmisch, der Regen prasselt unablässig nieder. Im Gang hat sie einen Blick auf Mr. Harrow und den Kapitän erhascht, die beide trotz ihrer Moleskin-Mäntel bis auf die Haut durchnässt waren. Sie kämpft gegen die abergläubische Furcht, sie selbst könne das schlechte Wetter heraufbeschworen haben, weil sie ihren täglichen Pakt mit dem Meer gebrochen hat.
Vor allem der Kapitän wirkt gehetzt und ruhelos. Sie kann sich nicht vorstellen, warum das so ist; er hat doch schon öfter schlechtes Wetter durchgestanden. Sie würde gerne Mr. Harrow fragen, was vorgeht, wagt es aber nicht, da Arthur sie dabei beobachten könnte. Sie könnte auch Arthur fragen, aber dann müsste sie ja mit ihm sprechen.
Isabella versucht manchmal, sich an eine Zeit zu erinnern, in der sie Arthur nicht gehasst hat, und vielleicht gab es einen flüchtigen Augenblick, damals, als sie Daniel erwartete. Für wenige Monate rundeten sich seine Ecken und Kanten. Er freute sich, dass so schnell ein Kind unterwegs war. Er freute sich wie jemand, dessen Hund ihm die Pantoffeln gebracht hat. Aber Freude war es dennoch. Eines Tages hatte er die Stiefmütterchen-Brosche aus Emaille von der Arbeit mitgebracht und ihr aus einer Laune heraus geschenkt. Sie war so erleichtert gewesen, mildere Züge an ihm zu entdecken, dass sie sie eine Zeitlang getragen hatte. Sie hatte sogar gehofft, dass eine lebenslange Ehe mit ihm nicht das Elend wäre, das sie erwartet hatte.
Ja, sie hatte ihn eine Zeitlang gemocht. Er wirkte immer noch distanziert und kurz angebunden, aber sie sah den Keim zu einem guten Vater in ihm, einem Vater, der das Baby in ihrem Körper lieben würde. Doch als Daniel geboren wurde, zerbrach dieser zärtliche Traum.
Als Arthur Daniel zum ersten Mal sah, lag Isabella im Bett und döste. Es war am späten Nachmittag, und Daniel schlief friedlich. Er war drei Tage alt, hatte die winzigen Fäuste sanft um die Ohren gelegt, den kleinen Mund verzogen und saugte an einer imaginären Brust. Arthur polterte zur Tür herein und fragte: »Warum liegst du um vier Uhr im Bett?«
Sie wachte mit einem Ruck auf, doch Daniel schlief weiter. »Es tut mir leid, Arthur. Ich bin so furchtbar müde. Der Kleine hält mich die ganze Nacht lang wach.«
»Dann hättest du eine Amme nehmen sollen, wie ich es vorgeschlagen habe. Du kannst nicht den ganzen Tag wie eine Schlampe im Bett liegen.«
Die Vorstellung, dass jemand anders ihr Kind ernähren sollte, war ihr zuwider. Sie setzte sich auf und versuchte, Haltung anzunehmen: eine schwierige Aufgabe, da sie erst vor wenigen Tagen niedergekommen war und sich wund fühlte und am ganzen Körper auszulaufen schien. »Bitte, Arthur. Lass mich so für ihn sorgen, wie ich es wünsche.«
»Nun, wenn du entschlossen bist, und ich sehe, dass du es bist, musst du auf jeden Fall mit meiner Mutter sprechen. Sie hat zwei Söhne großgezogen, und ich möchte
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