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Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kimberley Wilkins
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lauten, dass er betrunken oder faul ist oder sich vor dem schlechten Wetter fürchtet und es ignorieren will. Er ist hier, weil er unfähig ist, und das würde kein Mann je eingestehen.
    Seine Augen ruhen noch immer auf dem Blatt in ihrer Hand. »Welche Geheimnisse verbergen Sie vor mir, Isabella?«
    »Keine Geheimnisse.« Er streckt die Hand aus, sie soll ihm das Blatt geben.
    »Es ist privat.«
    Er ragt über ihr auf, ein fleischiger Mann von sechs Fuß Größe mit heißem Brandyatem, und die furchtbaren Erinnerungen werden wieder wach. Sie will protestieren, doch es kommen nur kleine Knacklaute aus ihrem Mund.
    Die Erinnerung blitzt auf: der Wintergarten im Haus ihrer Schwiegermutter. Früher Morgen, bevor die anderen aufgewacht waren. Ihr Herz von Trauer zerrissen, ihre Brüste noch von Milch geschwollen. Und Percy Winterbourne, Arthurs jüngerer Bruder, der ihr Gewalt antat.
    Frost auf dem Gras draußen, der säuerliche Geruch von Asche im Kamin. Seine Hand über ihrem Mund, der Geschmack seiner Haut, ihr hektischer Atem, der in den Nasenlöchern brannte. »Ein bisschen hiervon?«, hatte er gefragt und ihre empfindlichen Brustwarzen durch das Kleid hindurch rauh geknetet. Schmerz und Scham. Ihre Gegenwehr hatte ihn nur wütender und brutaler gemacht. Dann war das Hausmädchen hereingekommen, und er war von ihr weggesprungen, hatte seine Weste glatt gestrichen und getan, als wäre nichts geschehen.
    Und als sie es Arthur erzählte, hatte er sie eine Lügnerin gescholten.
    »Lassen Sie mich in Ruhe!«, kreischt Isabella verängstigt und, zu ihrer eigenen Überraschung, beschämt.
    Captain Whiteaway weicht zurück. Sein Gewissen erwacht; Isabella ist blass und zittert. Er lässt die Hand sinken. Wahrt das Gesicht, indem er sagt: »Ich interessiere mich ohnehin nicht für solchen weiblichen Unsinn. Aber wenn ich herausfinde, dass Sie und Harrow einander Briefe schreiben, werde ich ihn feuern und Sie am nächsten Hafen aussetzen. Arthur ist ein guter Freund von mir.«
    »Es ist kein Liebesbrief«, stößt sie hervor. »Es ist eine Liste. Nicht mehr.« Aber sie hätte ebenso gut schweigen können. Er streicht sich mit der Hand über den Bart und wendet sich ab.
    Denn es ist nicht »nur eine Liste«. Es ist ein Plan, eine Fahrkarte aus dem Elend, der erste Schritt, um ihrem Mann und ihrem gemeinsamen Leben zu entfliehen.

    Es ist drei Uhr morgens, die tiefste Stunde des Schlafes. Isabella hört ein Klopfen und Rufen, braucht aber einen Augenblick, um zu erkennen, dass sie gemeint ist. Arthur ruft: »Wach auf, Isabella!«
    Sie öffnet die Augen. Alles bewegt sich. Sie setzt sich auf und versucht, das Gleichgewicht zu halten. Das Schiff stöhnt, es torkelt und schlingert. Draußen heult der Wind. Angst flammt in ihrem Herzen auf. »Was passiert hier?«
    »Zieh dich an. Francis bringt uns in sichere Gewässer. Er will auf den Strand laufen.«
    »Auf den Strand …«
    »Zieh dich einfach an, Frau!«, donnert er. »Ich komme in zwei Minuten zurück.« Dann ist er verschwunden, hat die Kabinentür hinter sich zugeschlagen. Seine Stimme ertönt im Salon, ebenso die von Meggy. Sie hört sie die Leiter hinaufsteigen, während sie mit zitternden Händen ihr Kleid zuschnürt.
    Das Meer hat Zähne. Isabella hat es immer gewusst; die Schönheit des Meeres konnte sie nie über seine Grausamkeit hinwegtäuschen. Es hat Zähne, und sie schnappen nach dem Schiff. Arthur hätte sie nie unter Deck einsperren dürfen. Sie hat mit ihrem Morgengebet für ihrer aller Sicherheit gesorgt, ihren Respekt bezeugt und das Meer daran erinnert, dass sie diese Sicherheit niemals als selbstverständlich erachtet hat. Isabella ist kalt. Das kann nicht passieren. Das Schiff fährt seit Jahrzehnten zur See; warum sollte so etwas gerade jetzt passieren, während sie an Bord ist? Das ist so ungerecht. Isabella bückt sich, um ihre Schuhe zu binden. Das Schiff taumelt, hat starke Schlagseite und prallt dann wieder aufs Wasser. Alles um sie herum fällt herunter, sie selbst auch. Die Luke über dem Salon schlägt zu. Sie steht auf und läuft aus der Kabine und die Leiter hinauf, drückt gegen die Luke, doch sie ist blockiert. Sie hämmert mit den Fäusten gegen das Holz. Um ihre Füße rollt zerbrochenes Geschirr.
    »Hilfe!«, schreit sie. »Hilfe! Etwas blockiert die Luke.«
    Doch wie sollen sie sie beim Donnern des Meeres hören?
    »Arthur!«, schreit sie. »Arthur!«
    »Isabella!« Seine Stimme klingt gedämpft durchs Holz. »Hol den Amtsstab. Ein Balken

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