Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
ist gebrochen und liegt auf der Luke. Wir räumen ihn jetzt beiseite. Hol den Amtsstab und halte dich bereit.«
Sie kehrt in die Kabine zurück und zieht die Kiste aus dem Versteck unter dem Bett. Hebt sie schwankend hoch. Der Schlüssel steckt in Arthurs Tasche, also kann sie sie nicht öffnen und ihr kostbares Andenken herausholen. Sie schleppt sie zum Fuß der Leiter und wartet. Mahnt sich, nicht in Panik zu geraten. Sie werden das Schiff auf den Strand laufen lassen. Dann haben sie festen Boden unter den Füßen. An Land werden Wind und Regen nicht so furchterregend sein. Wieder schlingert das Schiff heftig. Leewärts zersplittern plötzlich alle Fenster, und das Meer ergießt sich herein. Isabella schreit auf. Die Laterne ist erloschen. Kaltes, dunkles Wasser wirbelt um ihre Füße, reißt ihr die Schuhe weg, das Herz hämmert in ihrer Brust.
»Helft mir! Helft mir!«, schreit sie. Die Geräusche über ihr sind entsetzlich. Holz zerbricht, Taue spannen sich zum Äußersten. Wann immer sich das Schiff hebt und senkt, schäumt Wasser herein, aber sie sinken nicht.
Noch nicht.
»Drück gegen die Luke, Isabella!«, ruft Arthur.
Isabella drückt, dass die Sehnen in ihren Armen hervortreten. Auf der anderen Seite mahlt Holz gegen Holz, dann springt die Luke auf.
Arthurs Hände. »Der Amtsstab!« Zum ersten Mal, seit sie verheiratet sind, haben sie ein gemeinsames Ziel: die hölzerne Kiste davor zu bewahren, dass das Meer sie verschlingt.
Sie hievt sie die Treppe hoch, setzt sie geräuschvoll auf jeder Stufe auf. Schiebt sie zu Arthur hinauf, der sie durch die Luke zieht und ihr die linke Hand entgegenstreckt. Jetzt ist sie an Deck, überall herrscht Chaos. Das schäumende Meer, zerfetzte Segel, vom Wind verschlungene Taue, der Sturm kreischt in der Takelage.
»Was hat das zu bedeuten?«
»Francis bringt uns an den Strand. Aber er muss das Schiff vor den Wind drehen.«
Isabella schaut sich um. Der Regen läuft ihr in die Augen. Um sie herum ist nur das Meer. »Ich sehe kein Land.«
»Da drüben.« Arthur macht eine ausholende Geste. »Irgendwo da.« Die Kiste steht zwischen seinen Füßen.
Dann schreit ein Mann: »Sturzwellen! Sturzwellen!«
Isabella bleibt nur der Bruchteil eines Augenblicks, um den Kopf zu wenden und die weiß schäumenden Sturzwellen zu sehen, bevor das Schiff mit einem Übelkeit erregenden Mahlen, das Herz und Rippen vibrieren lässt, auf die Felsen läuft.
»Verlasst das Schiff! Verlasst das Schiff!«, ruft der Kapitän, der am Steuer steht, umgeben von zerfetzten Segeln und kaputtem Holz. »Rette sich, wer kann!«
Isabellas Gelenke werden zu Wasser. Arthur zerrt die Kiste schon zu einem Rettungsboot. Sie stolpert hinter ihm her, durch Chaos und Lärm und Salzwasser und Regen. Er nestelt an Seilen, und sie hilft ihm. Menschen kriechen auf der Steuerbordseite in Rettungsboote. Sie sucht nach Gesichtern, nach Meggy oder Mr. Harrow, als eine gewaltige Welle das Schiff um fünfundvierzig Grad kippt und wieder auf das Riff schlägt. Das Holz zerbirst in einer gewaltigen Schaumfontäne. Wo eben noch Männer und Bewegung waren, ist jetzt nur die tosende See. Ihr Herz wird zu groß für ihren Körper.
»Schnell, Arthur!«, ruft sie. Sie schaut sich um, sucht nach dem Kapitän, nach Meggy, nach irgendjemandem.
Arthur lässt ihr Rettungsboot hinab, und wie durch ein Wunder sitzen sie jetzt beide darin und hüpfen auf dem flachen Wasser über das Riff. Arthur ergreift ein Ruder und Isabella das andere, und sie arbeiten sich in tieferes Wasser vor, die Kiste aus Walnussholz zwischen sich. Die Wellen wollen sie zurück zum Schiff tragen, das in der Mitte zerborsten ist. Isabella denkt an ihren Schmuck, der noch an Bord ist, spürt aber kein Bedauern über den Verlust. Wenn sie überlebt, kann sie sich glücklich schätzen. Wenn Daniels Korallenarmband auch überlebt, wird sie über die Maßen reich sein.
Dann erhebt sich Arthur halb, um sich mit dem Ruder von einem Felsen wegzustoßen. Eine Welle ergreift das kleine Boot, und er fällt ins Wasser.
»Arthur!«, schreit Isabella. Sein Ruder ragt noch aus dem Wasser, sie greift danach. Er hält das andere Ende fest, schluckt Wasser und strampelt.
»Zieh, nutzloses Weib, zieh!«, schreit er.
»Das tue ich doch!«
Doch dann schlägt das Wasser über seinem Gesicht zusammen, und sosehr sie auch zerrt, er kommt nicht näher heran. Plötzlich kehren sich die Kräfte um, und sie spürt, dass er sie zu sich zieht. Wenn er ertrinkt, wird er sie mit
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