Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
Er war mein Großvater.«
»Pirate Pete war dein Großvater? Bitte entschuldige, ich wollte nicht unhöflich …«
»Schon gut. Ich habe mich daran gewöhnt, dass die Leute gemeine Dinge über ihn sagen. Und zugegeben, er war ein bisschen verrückt. Als ich ein Junge war, hat er mir die ganzen geheimen Schränke in dem Raum oben gezeigt, wo das Leuchtfeuer ist.«
»Geheime Schränke?«
»Ja, sie sind in die Wandtäfelung eingebaut. Es gab nicht viel Interessantes für einen kleinen Jungen, nur alte Papiere und so was.« Er deutete auf die Kisten, die im Raum standen. »Erst als Erwachsener bin ich neugierig geworden. Nachdem Großvater gestorben war – er ist neunzig geworden –, ist mir die Geschichte mit den Schränken wieder eingefallen. Niemand außer mir wusste, dass es sie gab. Leider fallen sie inzwischen auseinander. Überall lagen Papiere herum. Ich hatte einfach das Gefühl, ich müsste bleiben, bis ich alles geordnet habe.«
»Es liegt sicher an der Feuchtigkeit. Davon quellen die Türen auf. Das ist zumindest mit meinem Wäscheschrank passiert. Also hast du die ganze Geschichte gelesen? Nachts? Bei Kerzenlicht?«
Er lächelte. »Manchmal. Meistens aber tagsüber. Nachts schlafe ich einfach.«
»Und du bist nie nachts unten am Cottage gewesen?«
Er schüttelte den Kopf. »Nein, nie.«
»Ein paarmal waren da Leute. Ziemlich spät. Der Wagen hat ewig draußen gewartet. Es macht mir Angst.«
»Verstehe. Hör mal, ich kann gerne ein bisschen aufpassen und runterkommen, wenn sie wieder auftauchen. Du brauchst keine Angst zu haben.«
Libby war gerührt. »Danke, das ist ein sehr nettes Angebot.« Sie stützte sich auf die Ellbogen. »Und, gibt es etwas Interessantes in diesen Dokumenten?«
»Das meiste ist ziemlich langweilig. Aber ein bisschen Gold ist auch darunter. Die Tagebücher der Leuchtturmwärter reichen bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Einige haben nur das Wetter und wichtigen Schiffsverkehr aufgezeichnet, aber einer von ihnen lässt sich endlos darüber aus, wie schön seine Frau sei. Sieh mal.« Er wühlte in der Kiste und holte ein altes, in Leder gebundenes Tagebuch heraus. Er suchte eine Seite, die er mit einem Post-it markiert hatte: »18. Dezember 1878. Letzte Nacht blies ein Sturm und ließ die Fensterscheiben erzittern. Meine liebe, zarte Eliza war recht beunruhigt, und ich musste sie nah bei mir halten, damit sich ihr flatternder Puls wieder beruhigte. Als ich am Morgen erwachte, war sie schon seit einer halben Stunde auf und hatte mir mein Lieblingsfrühstück, nämlich Speckpastete, zubereitet, und sie sagte, es sei aus Dankbarkeit geschehen, weil ich sie so wunderbar getröstet hätte. Ich bin gesegnet in der Liebe meiner teuren Frau.«
Libby musste lächeln. »Das ist süß.«
Ermutigt suchte Damien nach einem anderen Tagebuch. »Das hier aus den 1930er Jahren ist auch gut. Ich glaube, der Leuchtturmwärter war irgendwie geisteskrank. ›Ich gehe in die Stadt und sehe, wie mich alle beobachten. Ich weiß, was sie wollen. Solange Atem in meinem Körper ist, werden sie mir niemals meine Gedanken stehlen.‹«
Libby hob überrascht die Augenbrauen. »Gibt es noch mehr davon?«
»Das ist der einzige derartige Eintrag. Zwei Wochen später kam ein neuer Leuchtturmwärter. Und dieser hier ist auch sehr mysteriös. Der Typ, Matthew Seaward, schreibt meist sehr nüchtern. Und dann plötzlich das: ›An diesem Abend überraschte mich das Erscheinen einer fremden Frau, barfuß und blutend, die an der Tür des Leuchtturms Schutz suchte. Ihre Kleidung war zerrissen, doch ihr Verhalten zeugte von guter Herkunft. Ich gab ihr etwas zu essen und ein altes Kleid, das der Frau des früheren Leuchtturmwärters gehört hat. Dann schickte ich sie in die Stadt, um sich eine angemessenere Unterkunft zu suchen.‹«
»April 1901?«
»So steht es hier.«
»Gibt es noch mehr über diese Frau?«
»Das weiß ich nicht. Mag sein. Ich habe nicht alles gelesen.«
»In Lumpen, verletzt, barfuß.« Libbys Verstand arbeitete auf Hochtouren. »Die Aurora ist im April 1901 gesunken. Könnte sie eine Überlebende gewesen sein?«
»Das hätte sie sicher erwähnt.«
»Vielleicht hat sie das ja, und er hat es nur nicht aufgeschrieben.« Ihr wurde ganz schwindlig angesichts dieser ungeahnten Möglichkeiten. »Sagst du mir Bescheid, wenn du etwas findest?«
»Natürlich.«
Libby zögerte einen Augenblick und sagte dann: »Falls du abends mal auf ein warmes Essen vorbeikommen
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