Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
Marks Büro entdeckt hatte.
Libby setzte sich an den Schreibtisch und sortierte sie chronologisch; sie stammten alle von Ashley-Harris Holdings. Der erste war zwei Jahre alt. Er begann mit den Worten: »Vielen Dank für den Briefwechsel. Wir verstehen die Gründe, aus denen Sie nicht verkaufen möchten. Dennoch möchte ich mich vorstellen …«
Es war also gar nicht der erste Brief. Mark musste davor schon ein Schreiben erhalten haben, in dem die Firma anbot, das Cottage zu kaufen, was er abgelehnt hatte. Rasch las sie die anderen Briefe. Die Firma hatte zwei Jahre lang um ein Treffen mit Libby ersucht, sich bereit erklärt, nach London zu fliegen, hatte Pläne und Zeichnungen schicken wollen. Alle Briefe waren von einem gewissen Tristan Catherwood unterzeichnet. Er wirkte hartnäckig, aber nicht unangenehm. Der letzte Brief war auf vier Monate vor Marks Tod datiert.
Libby lehnte sich zurück und dachte nach. Ein kleiner Teil von ihr, auf den sie nicht sonderlich stolz war, ärgerte sich, weil Mark ihr diese Briefe nie gezeigt hatte. Natürlich hätte sie das Haus nicht verkauft, doch er hatte ihr sonst alles weitergeleitet: die Mitteilungen über die Raten – die er natürlich zuvor bezahlt hatte – und die jährlichen Wertfestsetzungen für die Immobilie. Hatte er befürchtet, sie würde an den erstbesten Bauunternehmer verkaufen? Andererseits, konnte sie es ihm verdenken? Sie war so zögerlich gewesen, als er das Haus für sie gekauft hatte. Vermutlich war sie ihm undankbar erschienen. Er hatte ihr ein Haus geschenkt, doch sie hatte es es eher als Last denn als Segen empfunden.
Sie war neugierig. Weshalb wollte Ashley-Harris Holdings unbedingt das Cottage kaufen? Es gab doch viele andere Stellen, an denen man ein Hotel errichten konnte.
Da Tristan Catherwood so lange geduldig auf eine Antwort gewartet hatte, setzte sie sich hin, um eine Absage zu formulieren. Dann bemerkte sie die örtliche Telefonnummer auf dem Briefkopf. Die Firma hatte ihren Sitz in Noosa. Also rief sie ihn auf dem Handy an.
»Tristan Catherwood.« Er hatte eine sanfte Stimme, nicht so tief und polternd, wie sie erwartet hatte.
»Hallo. Ich heiße Elizabeth Slater. Ich …«
»Das Cottage am Leuchtturm! Wie schön, von Ihnen zu hören, Elizabeth.«
»Es tut mir leid, dass Sie mir so oft geschrieben haben. Aus Gründen, die ich auf die Schnelle nicht erklären kann, habe ich die Briefe erst jetzt erhalten. Ich möchte Ihnen nur mitteilen, dass ich an einem Verkauf nicht interessiert bin, Sie brauchen mir also nicht mehr zu schreiben. Ich bin in Lighthouse Bay sehr glücklich und werde hier wohnen bleiben.«
»Sie wohnen im Cottage?«
»Ja, seit einigen Wochen.«
»Es ist ein wunderschönes Fleckchen. Der Blick vom Leuchtturm geht mir immer ans Herz. Wenn Sie schon in der Stadt sind, würde ich Sie gern zum Mittagessen einladen. Hätten Sie morgen um eins Zeit?«
»Morgen? Ich … ich weiß noch nicht, was ich da vorhabe.«
»Dann heute. Es ist kurz nach zwölf. Ich könnte Sie um eins abholen, dann fahren wir nach Noosa. Es gibt einen Italiener in der Hastings Street, der unglaubliche Spaghetti alla puttanesca macht.«
Libby wusste, dass er ihr Honig ums Maul schmierte. Dennoch gefiel ihr die Vorstellung, zu einem teuren Essen eingeladen zu werden, und sie war neugierig, welche Pläne Tristan für Lighthouse Bay hatte.
Juliet musste es ja nicht erfahren.
»Na gut«, stotterte sie. »Es kann wohl nicht schaden.«
Um Punkt eins fuhr er in einem schwarzen Audi vor. Aus dem Spalt zwischen ihren Schlafzimmervorhängen beobachtete Libby, wie er aufs Haus zukam. Er sah völlig anders aus als erwartet. Zum einen war er jünger, als sie gedacht hatte, etwa in ihrem Alter. Er war lässig gekleidet, in verblichene Jeans und ein graues Hemd, das er über der Hose trug. Er klopfte, und sie ließ sich Zeit mit dem Öffnen. Er sollte bloß nicht auf die Idee kommen, sie hätte auf ihn gewartet, obwohl genau das der Fall war.
»Hallo«, sagte sie.
Er nahm die Sonnenbrille ab und lächelte warm. Er hatte dunkelbraune Augen, die sanft und freundlich blickten, und Libby ertappte sich dabei, wie sie ebenso warm zurücklächelte. »Sie sind also Elizabeth.« Er streckte die Hand aus.
»Libby.« Sie ergriff sie. Er roch wunderbar, ein holziges Parfüm mit Moschusnote.
»Aus irgendeinem Grund hatte ich Sie älter geschätzt.«
»Geht mir genauso.« Sie war froh, dass sie die dunkelrote Bluse angezogen hatte, die ihrer blassen Haut
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