Das Haus am Leuchtturm: Roman (German Edition)
bedecken die Verletzungen an ihren Händen. Gegen den Sonnenbrand kann sie nichts ausrichten, wendet aber das Gesicht ein wenig von der Lampe ab.
Dann betätigt sie die Messingglocke und wartet.
Schließlich öffnet sich die Tür einen Spalt weit, und eine dunkelhaarige Frau mit dunklen Augen und vollen Lippen späht heraus.
»Guten Tag, ich möchte gerne Mrs. Fullbright sprechen.«
Die Tür wird ganz geöffnet. »Ich bin Katarina Fullbright«, sagt die Frau mit einem leichten Akzent, den Isabella nicht einordnen kann.
Sie hat damit gerechnet, dass ein Hausmädchen öffnen würde, und begreift erst allmählich, dass diese unglaublich schöne junge Frau mit der glatten, olivbraunen Haut und den leicht geweiteten Nasenlöchern Mrs. Katherine Fullbright ist. Sie hat eine Dame mittleren Alters erwartet, natürlich Engländerin, die Wert auf Manieren legt und ein konservatives Kleid trägt. Keine karmesinrote Katarina.
Sie erinnert sich an den Grund für ihr Kommen und gibt Katarina die Hand. »Ich bin Mary Harrow. Wie ich hörte, suchen Sie ein Kindermädchen. Ich bin Kindermädchen und suche eine Stelle.«
Katarinas vollkommen geschwungene Augenbrauen schießen in die Höhe. »Sind Sie das?«
»Ja, das bin ich. Leider habe ich meine Referenzen verloren.«
»Kommen Sie herein, Mary«, sagt sie ungerührt und führt Isabella in ein Wohnzimmer mit hoher Decke und holzgetäfelten Wänden. Ein großes Sofa mit einem gehäkelten Überwurf, zwei Ledersessel, Bücherregale, ein Sideboard an der Wand. Isabella kann ein kleines Esszimmer und dahinter die Küche sehen. Das Haus ist sauber und riecht nach einer Möbelpolitur mit Zitrone und Öl. Es wird nur von zwei großen Kerzen erhellt. »Setzen Sie sich. Das ist eine willkommene Überraschung.«
»Vielen Dank«, antwortet Isabella und hockt sich mit der Tasche zwischen den Füßen aufs Sofa.
»Ich hatte damit gerechnet, dass ich noch eine Anzeige aufgeben und monatelang warten müsste«, sagt Katarina. »Es ist schwer, jemanden zu finden, der bereit ist, so weit zu reisen. Und Xavier ist … ein schwieriges Kind. Haben Sie etwas gegen schwierige Kinder?«
Zum ersten Mal begreift Isabella, dass sie für das bescheidene Gehalt, das sie sich vorstellt, arbeiten muss. Zu Hause in Somerset verbrachte sie ihre Tage mit Handarbeiten, schnitt und arrangierte Blumen, lud zum Tee ein und begleitete ihren Mann in die Stadt. Sie hat noch nie im Leben wirklich gearbeitet. »Selbstverständlich habe ich nichts dagegen.« Sie spürt, welche Kluft zwischen ihren Worten und ihren Gefühlen liegt. Sie hätte noch ein paar Tage im Leuchtturm bleiben sollen, nicht so überstürzt herkommen dürfen. Sie kann nicht klar denken. Das Gefühl der Hilflosigkeit kehrt zurück, ein dunkles Schluchzen in ihrem Kopf.
»Xavier ist nicht hier«, sagt Katarina. »Er ist für ein paar Tage mit Mr. Fullbright verreist.«
»Soll ich später wiederkommen?«
»Nicht nötig. Sie sind jetzt hier. In der Stadt kann man nirgendwo sonst wohnen. Die Köchin hat Feierabend, also kann ich Ihnen nichts Warmes anbieten. In der Küche ist aber noch Brot und Bratenfett.«
»Ich habe keinen Hunger. Ich …« Isabella fasst sich an die Stirn. »Ich bin furchtbar müde.«
Katarina lächelt. »Ach so, eine lange Reise? Ich sehe, Sie haben von der Fahrt im Wagen Sonnenbrand. Kommen Sie von den Goldfeldern? Haben Sie dort zuletzt gearbeitet?«
Isabella nickt.
»Kommen Sie, Mary, ich zeige Ihnen das Bad und das Kinderzimmer. Sie werden im selben Zimmer schlafen wie Xavier. Heute können Sie früh schlafen gehen, und morgen besprechen wir die Einzelheiten.« Isabella hat das Gefühl, als wollte Katarina dringend weg. Vielleicht erklärt das auch das prachtvolle Kleid.
Isabella nickt, und Katarina führt sie durch einen mit einem Teppich ausgelegten Flur, von dem rechts und links Türen abgehen. Sie bleibt am Ende des Flurs stehen und zeigt nach rechts. »Das Badezimmer.« Dann links. »Das Kinderzimmer. In der großen Kommode ist Bettwäsche. Ich gehe heute Abend aus, Sie müssen verzeihen.«
Dann verschwindet sie in einem Wirbel aus rotem Stoff und dunklem Haar. Isabella geht ins Bad. Im Dämmerlicht kann sie kaum ihr Gesicht im Spiegel erkennen, doch was sie sieht, erschreckt sie. Sie ist tatsächlich sonnenverbrannt. Ihr Gesicht leuchtet, auf der Nase hat sie Blasen. Ihre Wangen sind eingefallen, die Schatten unter ihren Augen tief und dunkel. Ihr Haar ist strähnig und ungekämmt. Im Vergleich zu Katarinas
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