Das Haus am Nonnengraben
ein erfolgreicher Spieler –, dass er mit seinem Leben unzufrieden war, es aber aus finanziellen Gründen nicht ändern konnte, und dass eine gewisse Brutalität in ihm steckte. Das war doch etwas, was sie Benno präsentieren konnte. Diese Spur war weit vielversprechender als die arme Tanja.
Am nächsten Morgen hielt Hanna auf dem Heimweg nach Bamberg gleich an der ersten Raststätte, an der sie vorbeikam, und rief ihre Tante an. Kunigunde freute sich darüber, dass sie mittags wieder da wäre, und ja natürlich würde sie eine Kleinigkeit zu essen machen. Dann rief Hanna Benno an, mit Flattern im Bauch, einer Mischung aus schlechtem Gewissen, weil sie sich so lang nicht gemeldet hatte, und Neugier auf seine Reaktion.
»Hallo, hier spricht Hanna Tal. Ich …«
»Hanna! Gott sei Dank! Ich habe mir schon solche Sorgen um dich gemacht. Wo warst du denn nur? Ich habe bestimmt hundertmal bei dir angerufen.« Benno atmete tief durch.
Hanna lachte. Der Mistkerl und Macho war urplötzlich verschwunden. »Aber warum hast du dir denn Sorgen gemacht? Ich hatte einen Termin in München, der schon lange festgemacht war. Ich habe am Montagabend irgendwie vergessen, dir das mitzuteilen.« Sie versuchte, den Spott in ihrer Stimme möglichst zurückzudrängen. »Aber ich habe etwas herausgefunden, was dich interessieren wird. Du wirst dich wundern!«
»Ich wundere mich sowieso über allerlei. Wann bist zu zurück?«
»Ich bin gerade erst losgefahren. Gegen Mittag könnte ich wieder da sein.«
»Das passt wunderbar. Willst du in mein Büro kommen?«
»Ja, kann ich machen.«
»Sehr schön. Ich freu mich.«
»Also, bis dann.«
»Bis dann. Und pass auf dich auf.«
Er hatte sich Sorgen um sie gemacht, so. Sie hatte gedacht, er würde ärgerlich sein, weil sie sich nicht »zur Verfügung gehalten« hatte. Aber er hatte sich Sorgen gemacht, »solche Sorgen«. Sie nagte beunruhigt an ihrer Unterlippe. Diese Beziehung zu Benno war ein einziges Wechselbad der Gefühle. Sie wusste nicht so recht, woran sie war, aber noch viel weniger, was sie selbst eigentlich wollte. Da war sein offensichtliches Interesse an ihr, das ihr schmeichelte und das sie mit Wohlwollen hinnahm. Selbst sein Verhalten am Montagabend konnte sie, in die Kategorie »Eifersucht« eingeordnet, gnädig abnicken; sie selbst hatte sich ja auch nicht ganz fein benommen. Aber da war etwas, womit sie nicht umgehen konnte, was sie innerlich immer einen Schritt vorwärts und einen zurück machen ließ. Auf der langen Heimfahrt begriff sie allmählich, dass es Angst vor einer festen Bindung war, ziemlich große Angst. Seit Paolo … Ihre erste große Liebe und der Traum von einem Leben in einem venezianischen Palazzo waren damals in einer Resopalküche an den Ohrfeigen eines frustrierten und von seiner Mutter unter Druck gesetzten Mannes zerschellt.
Seit damals hatte keine Beziehung länger als ein paar Wochen gehalten; sie waren auch nie anders gedacht gewesen und freundlich und schmerzlos verraucht. Aber Benno war kein Mann für so etwas. Wenn sie sich auf ihn einließ, würde das lang und ernsthaft werden, und sie war sich nicht sicher, ob sie das wollte. Nein, sie war sich ganz und gar nicht sicher.
16
Benno saß an seinem Schreibtisch und war glücklich. Sie hatte sich gemeldet, unverletzt und fröhlich. Und in ein paar Stunden würde er sie wiedersehen.
An diesem Donnerstagmorgen hatte er schon um sieben Uhr bei Hanna angerufen. Er hatte wieder eine unruhige Nacht hinter sich gehabt, in der sich zu seinen Selbstvorwürfen Sorge gesellt hatte. Was konnte ihr nur passiert sein? Ein Verkehrsunfall? Vielleicht war sie vor ihrem Haus ins Wasser gefallen oder der Mörder hatte … In der Nacht kleidete Angst sich in vielgestaltige Gewänder.
Benno überlegte, warum es ihn mit solcher Besorgnis erfüllte, dass er Hanna nicht erreichten konnte. Übertrieb er schon wieder?
»Du erdrückst mich mit deiner Sorge, du nimmst mir ja die Luft zum Atmen«, hatte seine Frau gesagt, wenn er sie wieder einmal kritisiert hatte, weil sie unbedingt Motorrad fahren oder Bungee jumpen musste. Für ihre schrägen Träume hatte er zu viel Erdenschwere gehabt, und sie hatte ihn nicht davon befreien können. Darum war sie gegangen.
Er hatte es lange klingeln lassen und dann Werners Handynummer gewählt. »Ich kann Hanna noch immer nicht erreichen. Ich habe gerade bei ihr angerufen. Um sieben Uhr morgens ist ein Mensch doch normalerweise zu Hause.«
»Vielleicht hat sie ja nicht in
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