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Das Haus am Nonnengraben

Titel: Das Haus am Nonnengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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die Vorkämpfer damals geträumt haben, und was ist daraus geworden? Wie viele gehen denn noch zu den mit so viel Leid errungenen Wahlen? Und wenn ich das Wort Freiheit aus dem Mund des Präsidenten der ›einzigen Weltmacht‹ höre – ›Wir bringen ihnen die Freiheit, und wenn wir sie alle erschießen müssen.‹ –, dann wird mir nur noch schlecht. Und von Gleichheit redet sowieso keiner mehr.«
    »Doch, wir. Vor dem Gesetz sind alle Menschen gleich. Wir bemühen uns zumindest, meistens. Aber … na ja … Ideale und Menschen passen halt nicht immer so gut zusammen.« Benno räusperte sich. »Hat dir denn das Essen geschmeckt?«
    Hanna lachte über den plötzlichen Themenwechsel. »Stark«, sagte sie. »Vom Rechtsstaat zu den Blaubeeren mit Vanilleeis! Aber das Essen war wunderbar. Und ich bin so satt.« Sie reckte sich, klopfte sich auf den Magen und sagte: »Ich muss unbedingt ein Stückchen laufen. Machen wir noch einen kleinen Spaziergang?«
    Sie gingen durch den Garten des Stadtarchivs hinunter zur Regnitz. Schilf raschelte, ein paar Enten quakten im Schlaf. Auf dem Steg vor der Konzerthalle blieben sie stehen und blickten über das dunkle, schimmernde Wasser auf die Lichter der Altstadt. Der Steg schien leise zu schwanken, als sie sich küssten.

21
    Daheim holte Hanna sich ein großes Glas Wein und stellte sich damit vor die offene Flügeltür in ihrem Wohnzimmer. Sie lehnte sich an die Gitterbrüstung, blickte über den Fluss und wartete auf den Augenblick, in dem die Beleuchtung des Doms sich ausschaltete und sein Bild für Sekunden wie ein bleicher Schatten auf der Netzhaut verblieb, bis seine dunkle Silhouette vor dem helleren Nachthimmel auftauchte.
    Eine große Zärtlichkeit stieg in ihr auf, und es tat fast körperlich weh, Benno jetzt nicht neben sich zu spüren. Warum hatte sie ihn nur nicht eingeladen, noch mit hereinzukommen? Sie waren plötzlich beide verlegen gewesen, und Benno hatte sich beinahe hastig verabschiedet. Verdammt, die Sache sah wirklich ernst aus, wenn sie sich sogar Zeit nahmen, sich näher kennenzulernen, bevor … Das war ihr so noch nie passiert.
    Sie blieb lange stehen, doch allmählich wurde ihr kühl, und sie überlegte, ob sie sich ihr warmes Schultertuch holen sollte, denn der Dom war noch immer nicht erloschen. Aber irgendwie war ihr heute nicht wohl bei ihrem Abendritual. Immer wieder spähte sie angestrengt in ihren kleinen dunklen Garten hinunter, ob sich dort vielleicht etwas verbarg. Dabei war das ganz unmöglich. Ihr Häuschen war gesichert wie eine Festung: Das hohe Hoftor und die Mauer waren vom Vorbesitzer mit Spitzen und Glasscherben versehen worden und kaum zu überwinden, und ihr Gärtchen grenzte unmittelbar an den Fluss. Sie war so beunruhigt, dass sie beinahe die Fenstertüren geschlossen hätte. Aber dazu war das Wetter denn doch zu schön und die Nachtluft zu verführerisch, und so ließ sie zumindest einen Flügel offen.
    Sie lag schon im Bett, als Benno noch einmal anrief.
    »Sehen wir uns morgen?«, fragte sie. »Wollen wir bei dem schönen Wetter vielleicht auf den Keller gehen?«
    »Ja, gern«, sagte Benno. »Der Wetterbericht hat zwar gemeldet, dass es schlechter werden soll, aber wir können es ja probieren. Spezi-Keller? Oder magst du kein Rauchbier?«
    Hanna mochte Rauchbier, und sie mochte vor allem den Blick von diesem Biergarten auf die Türmesilhouette der Stadt. Doch sie hatte kaum aufgelegt, da fiel ihr ein, dass sie am nächsten Abend mit einem potenziellen Auftraggeber zum Essen verabredet war und dass sie das unmöglich absagen konnte, nachdem sie ihn schon mehrfach vertröstet hatte. Sie brauchte dringend einen Folgeauftrag, wenn sie demnächst mit ihrem Kellerkataster fertig war. Also wählte sie Bennos Nummer und entschuldigte sich. »Vielleicht können wir uns ja später, wenn ich von dem Essen zurück bin, noch treffen. Und dann erzählst du mir, was du aus den Akten von Herrn Ernst herausgefunden hast.«
    Sie war schon fast eingeschlafen, als ihr Telefon klingelte. »Ich freu mich auf morgen«, sagte Benno mit rauer Stimme, »sehr!« Sie war drauf und dran, ihn zu fragen, ob er nicht gleich vorbeikommen wolle, aber dazu war die Hemmschwelle doch noch zu hoch. Und die Vorfreude zu schön. Lächelnd schlief sie mit dem Telefonhörer in der Hand ein.
    Doch bereits eine Stunde später war sie wieder wach. Ihr war, als habe sie ein Geräusch gehört, so etwas wie das Klicken von Metall gegen Metall. Sie horchte angestrengt, aber

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