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Das Haus am Nonnengraben

Titel: Das Haus am Nonnengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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ihm her. Ihm gefiel, wie sie ging: in einer Aura von Energie, die die Leute veranlasste, ihr Platz zu machen.
    Auch im Nebenzimmer, Katjas Schlafzimmer, standen Gäste, aber längst nicht so dicht wie im Wohnzimmer. Durch die weit geöffneten Fenster floss die sanfte Frische der Abenddämmerung. Seine schöne Lotsin räumte auf dem mit allerlei abgelegten Jacken überladenen Bett ein Plätzchen zum Sitzen frei und sagte, als sie ihren Teller wieder an sich nahm: »Danke für den Braten. Ich würde ihn gern mit dir teilen.« Auf Katjas Partys sagten grundsätzlich alle »du« zueinander. Sie schnitt die Scheibe in zwei Teile und schob einen davon auf seinen Teller.
    Zuerst wollte er protestieren, doch dann akzeptierte er. »Also gut, eigentlich habe ich ihn mir ja redlich verdient«, sagte er und hielt seine Hand hoch.
    Sie verbarg theatralisch die Augen hinter ihren Fingern und tat entsetzt: »O Gott! Habe ich dir wehgetan?«
    »Das will ich meinen. Höllische Schmerzen! Das gibt bestimmt eine Blutvergiftung, und die Hand muss amputiert werden.«
    »Tja, da muss ich wohl die Wunde desinfizieren. Katjas Desinfektionsmittel brennt zwar fürchterlich, aber das macht einem starken Mann sicher nichts aus.« Sie lächelte süß und boshaft.
    »Ach nein, nicht desinfizieren! Du weißt doch, dass die Wunden, die ein Mann sich am kalten Büfett einhandelt, Ehrenwunden sind, die er standhaft bis zum bitteren Ende ertragen muss.«
    »Feigling!« Sie lachte.
    Gott sei Dank, sie lachte. Benno war erleichtert und recht zufrieden mit sich. Endlich war es ihm einmal gelungen, mit einer Frau, die ihm gefiel, locker ins Gespräch zu kommen. Er litt unter der Vorstellung, steif und langweilig zu wirken, wie ein Staatsanwalt eben. Aber diesmal … »Andererseits wäre ich dir natürlich schon sehr verbunden, wenn du mich verbindest.«
    »Ach, wenn du sowieso an Blutvergiftung stirbst, lohnt es sich ja gar nicht. Und jetzt haben wir uns gerade einen Sitzplatz ergattert. Es ist schrecklich, Katja lädt immer zu viele Leute ein. Ich hab ihr das schon hundertmal gesagt.«
    »Ich finde es eigentlich ganz lustig. Und man erlebt die unwahrscheinlichsten Dinge.« Benno schaute bedeutungsvoll seine Hand an.
    Sie überhörte die Anspielung. »Du bist, glaube ich, das erste Mal hier.«
    »Ja, Werner Sinz hat mich mitgenommen …«
    »Katjas Neuer …«
    »Ja. Er hat mich angefleht, dass ich ihn nicht allein lassen soll unter lauter fremden Leuten. Und wie sieht es jetzt aus? Er steckt im Dauerclinch mit Katja mitten in einer Menschentraube, und sein armer bedauernswerter Freund muss sich ganz allein den nächtlichen Gefahren des Hauens und Stechens stellen.«
    »Noch so eine Anspielung«, drohte seine Gesprächspartnerin, »und eine gründliche Desinfektionskur ist unausweichlich.«
    »Ist diese hartherzige Grausamkeit ein persönliches Charaktermerkmal oder Folge deines Berufes? Bist du Krankenschwester oder … oder so etwas Ähnliches?«
    »Domina?«, schlug sie hilfreich vor.
    Benno sah sie abschätzend an und grinste. »Zu wenig Leder«, meinte er. »Und, was machst du wirklich?«
    Sie erzählte ihm ausführlich und begeistert von ihrem Büro und von »ihren« Kellern und was alles aus ihnen abzulesen war, ein Thema, von dem er keine Ahnung hatte. »Weißt du«, erklärte sie ihm, »die Keller sind immer übrig geblieben. Egal, ob es gebrannt hat oder ein Krieg die Stadt zerstört hat oder ob ein Haus nur abgerissen und neu gebaut wurde, den Keller hat man fast immer weiterverwendet. Deswegen kann man an den Kellern die ältesten Strukturen einer Stadt ablesen, wie sie sich entwickelt hat, wo früher die Grundstücksgrenzen waren und wo die Straßen verliefen …« Sie geriet richtig in Fahrt, und es gelang ihm, an den richtigen Stellen die richtigen Fragen einzuwerfen. Und als sie ihn schließlich nach seinem Beruf fragte, konnte er mit ein paar amüsanten Fällen aufwarten und genoss ihr Erstaunen, dass jemand, »der so locker drauf ist«, als Staatsanwalt arbeitete. »Ich habe gar nicht gewusst, dass Staatsanwälte ermitteln wie die Polizei«, stellte sie fest. »In den Krimis, die ich gelesen habe, gab es immer nur den Kommissar und seine Leute. Der Staatsanwalt war meist nur das Ekel vom Dienst.«
    Benno lachte und verbeugte sich. »Vielen Dank für die Blumen.« Er setzte gerade zu einer längeren Erläuterung der bemerkenswerten Fähigkeiten von Staatsanwälten an, als sein Handy klingelte. Es hatte einen Unfall gegeben, und er musste

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