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Das Haus am Nonnengraben

Titel: Das Haus am Nonnengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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sind?«
    »Na, wegen dem Tod meiner Tante natürlich. Ich habe heute Mittag einen Termin mit ihrem Rechtsanwalt, Herrn Böschen.«
    »Wie und wann haben Sie denn vom Tod Ihrer Tante erfahren?«
    »Böschen hat mich am Mittwoch angerufen und es mir gesagt.«
    »Am Mittwoch?«
    Joschi Schneider empfand die Frage offenbar als Vorwurf. »Ja, ich weiß, heute ist Freitag. Hören Sie, ich habe in München eine ziemlich gut gehende Zahnarztpraxis, ich kann nicht alles stehen und liegen lassen, nur weil eine Tante von mir gestorben ist.«
    »Haben Sie denn viele Tanten?«
    »Nein, nur die eine.«
    »Haben Sie Ihre Tante gut gekannt?«
    »Ich habe sie überhaupt nicht gekannt. Ich habe sie nie gesehen. Ich habe überhaupt erst von ihrer Existenz erfahren, als ich nach dem Tod meiner Mutter ihre Papiere durchgesehen habe.«
    »Wissen Sie, wie Ihre Tante zu Tode gekommen ist?«
    »Böschen sagte, sie sei ermordet worden.«
    »Das hat Ihnen Herr Böschen am Mittwoch erzählt? Und da haben Sie sich nicht mit der Polizei in Verbindung gesetzt?«
    »Das hätte ich schon noch getan. Ich wollte heute zuerst mit Böschen reden.«
    Benno horchte auf, denn er glaubte, aus dem Nebenraum ein Klopfen zu hören, wandte sich dann aber gleich wieder Joschi Schneider zu. Die fiebrige Hast, mit der dieser rauchte, die Art, wie er immer wieder aufstand, durchs Zimmer ging und sich wieder setzte, die aggressive Spannung, mit der er seine Fragen beantwortete, all das schienen Benno Alarmzeichen, die seine Konzentration noch verschärften.
    »Sind wir dann fertig?«, fragte Schneider. »Ich muss mich anziehen für den Termin mit Herrn Böschen.«
    »Nein, wir sind noch nicht fertig. Ich habe noch weitere Fragen: Kennen Sie Frau Tal?«
    »Tal? Wer soll das sein?«
    »Sie war am Dienstag in Ihrer Praxis.«
    »Ach Gott, wenn ich mir alle Damen merken wollte, die zu mir in die Praxis kommen …«
    »Sie haben sie am nächsten Abend im Spielkasino Bad Wiessee bedroht. Vielleicht erinnern Sie sich daran?«
    »Ach, Sie meinen diese aufdringliche Journalistin? Aber was heißt denn hier bedroht? Ich habe diese Zimtzicke doch nicht bedroht! Ich habe sie nur nachdrücklich darauf hingewiesen, dass ich keinerlei Interesse an ihr habe und sie sich keine Schwachheiten einbilden soll. Das war eine von denen, bei denen man etwas deutlicher werden muss, damit sie einen in Ruhe lassen, wissen Sie.«
    »Ach, so eine war das«, sagte Benno sarkastisch. Er hätte dem Mann am liebsten eine vor den Latz geknallt. »Sie sagte, Sie hätten ihr vorgeworfen, sie spioniere Ihnen nach. Wie kamen Sie auf diese Idee? Wollten Sie nicht im Spielkasino ertappt werden?«
    »Was heißt denn ertappt?« Schneider zündete sich eine neue Zigarette an. »Ich … ich kann doch nichts dafür, dass die Natur mich mit einem Gesicht ausstaffiert hat, auf das die Frauen abfahren. Wenn Sie wüssten, was manche anstellen, nur um von mir behandelt zu werden! Und die Tal hat ja sogar freiwillig zugegeben, dass sie nur unter einem Vorwand zu mir in die Praxis gekommen ist.«
    Benno stellte fest, dass Joschi Schneider seiner Frage nach dem Spielkasino geschickt ausgewichen war. Er überlegte seine nächste Frage, als er erneut von diesem seltsamen Klopfen abgelenkt wurde. »Was klopft denn da so?«
    »In diesem Haus hier gibt es so viele Geräusche. Vor allem das Wasser rauscht so laut, dass ich heute Nacht kaum ein Auge zugetan habe.«
    »Das ist natürlich sehr unangenehm. Es war Ihre erste Nacht hier? Wann sind Sie denn in Bamberg angekommen, Herr Schneider, Verzeihung, Herr Dr. Schneider?«
    »Gestern Nachmittag.«
    »Obwohl Sie, vielbeschäftigt wie Sie sind, erst heute Mittag einen Termin bei Rechtsanwalt Böschen haben?«
    »Ich wollte mir Bamberg ansehen. Ist das verboten?«
    »Nein, nein, natürlich nicht. Es ist ja eine sehenswerte Stadt. Sie kannten Bamberg noch nicht?«
    »Nein.«
    Was klang an dieser Antwort denn nur so falsch? »Obwohl die Familie Ihrer Mutter aus Bamberg stammte, sind Sie nie hier gewesen?«
    Schneider zögerte, warf Benno einen kurzen prüfenden Blick zu. »Ich glaube, ich habe hier mal einen Kongress besucht. Da hatte ich aber keine Zeit, mir die Stadt anzusehen.«
    »Und das haben Sie jetzt nachgeholt. Und, was haben Sie gesehen? Klein-Venedig zum Beispiel?«
    »Sagen Sie, was soll der Scheiß? Ist das hier ein Verhör oder was? Ich …« Schneider war aufgestanden, stand neben seinem Sessel, machte zwei Schritte nach links, zwei Schritte nach rechts. Der

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