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Das Haus am Nonnengraben

Titel: Das Haus am Nonnengraben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Degen
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Gasse hinter dem Sonnenplätzchen, die er sonst so romantisch fand mit den überkragenden Obergeschossen der Häuser, sah plötzlich düster und verkommen aus. Benno hielt sich dicht an den Hauswänden. Das schützte zwar nur wenig vor dem Regen, aber auf dem Abhang vor dem Klosterbräu hinunter zum Fluss gaben die vielfarbigen alten Tonplatten auf dem Gehsteig einen besseren Halt als die glitschig glitzernden Kopfsteine des Fahrbahnpflasters. Unten rannte er um die Ecke der Steinmühle und über die Mühlbrücke bis in die Eingangshalle des Hotels. Er schüttelte sich, froh, der Nässe entronnen zu sein. Das Hotel, eine ehemalige Mühle, stand mitten im Fluss, und in dem Rauschen des Wassers rund um das Gebäude fühlte sich der Regen ganz besonders nass an.
    »Oh, là, là, der Herr Staatsanwalt!« Benno hob den Blick von seinem Jackett, an dem er herumgeklopft hatte, um die Tropfen zu entfernen. Hinter der Rezeption stand Wally. »Na, Benno, altes Haus, give me five!« Sie hielt ihm den Handteller mit nach oben gespreizten Fingern hin. Dieser Gruß war in dem Freundeskreis, dem sie beide angehört hatten, üblich gewesen. Benno klatschte lachend ab. »Hallo, Wally, altes Haus, schön, dich zu sehen. Sag, hat sich dein Gast, dieser Dr. Schneider, schon gerührt?«
    »Nein, keine Sorge, von dem war bisher nix zu sehen und zu hören. Brr, ist das ein Mistwetter.«
    »Das kannst du laut sagen.«
    »Ich bin gerade durchs ganze Haus gerannt, um die Fenster zu schließen. Ein Glück, dass in dieser Zeit kein Gast kam; es macht keinen guten Eindruck, wenn die Rezeption nicht besetzt ist. Du Ärmster, du bist ja ganz nass. Komm mal hier in mein Büro. Ich gebe dir ein Handtuch, damit du dich trocken reiben kannst.«
    Während Benno sich die Haare rubbelte, holte Wally einen Föhn aus dem Schreibtisch und föhnte sein Tweedjackett.
    Aber schon nach einer kurzen Weile sagte Benno unruhig: »Ach, lass mal. Ich muss so schnell wie möglich mit diesem Dr. Schneider sprechen. Welche Zimmernummer hat er denn?«
    »Die 102. Das ist unser schönstes Zimmer, gleich hier über dem Eingang.«
    »Ja, kenne ich. In der Badewanne kannst du so laut singen, wie du willst, da störst du keinen. Ich habe noch nie einen Fluss so rauschen hören.«
    »Stimmt. Grad in dem Badezimmer ist es extrem. Darum haben wir da auch die alten Türen wieder einbauen lassen. Das sind die Eichentüren aus der Mühle, die vor dem Neubau hier stand, durch die hörst du im Zimmer selbst fast nichts. Aber sag einmal, Herr Berg, was hattest denn du in dieser Badewanne zu singen?«
    Benno betrieb das Zusammenfalten des Handtuchs mit plötzlich verschärfter Präzision. »Hrm«, räusperte er sich. »Wer sagt denn, dass ich nicht mal bei den Tölzer Sängerknaben war?«
    »Tölzer Sängerknaben? Ich denke, du bist aus Regensburg?«
    »Ich muss jetzt wirklich nach oben zu Herrn Dr. Schneider. Kennst du Werner Sinz, Hauptkommissar bei der Kripo?«
    »Klar kenn ich den, schon seit ewigen Zeiten.«
    »Fein. Wenn Werner kommt, dann schick ihn rauf.«
    Er konnte ja schon mal anfangen. Die Zeit drängte; wer weiß, wie lange Schneider sein Frühstück ausdehnen würde, und er wollte nicht riskieren, dass der ihm durch die Lappen ging.
    Benno musste mehrmals klopfen, bevor Joschi Schneider die Tür öffnete.
    »Ja?«, blaffte er.
    »Guten Morgen. Herr Dr. Schneider?« Benno nickte ihm kurz zu. Der Mann sah eigenartig aus, als wenn er nicht ganz bei sich wäre.
    »Ja. Was wollen Sie?«
    »Mein Name ist Berg. Von der Staatsanwaltschaft Bamberg. Ich würde mich gerne kurz mit Ihnen unterhalten.«
    »So. Worüber?«
    »Über den Tod Ihrer Tante, Frau Rothammer.«
    »Aha. Und was wollen Sie wissen?«
    »Darf ich vielleicht zunächst eintreten?«
    »Na gut, kommen Sie herein. Wenn es länger dauert …«
    Benno registrierte die teuren Lederpantoffeln, die Designershorts unter dem offenen, eleganten Bademantel, das überhebliche Gehabe. Joschi Schneider erschien ihm wie der typische Yuppie, als den Hanna ihn geschildert hatte. Ein überaus nervöser Yuppie allerdings.
    Schneider blieb zunächst stehen und stützte die Hände auf die Rückenlehne eines Sessels, entschloss sich dann aber doch, sich hinzusetzen. Er verschränkte die Arme, beugte sich Sekunden später vor, zog den Aschenbecher auf dem Tisch zu sich heran und zündete sich eine Zigarette an. Er saß sprungbereit auf der Kante des Sessels. »Also, was wollen Sie?«
    »Darf ich fragen, warum Sie hier in Bamberg

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