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Das Haus Am Potomac

Das Haus Am Potomac

Titel: Das Haus Am Potomac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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war an ihm
vorbei hereingerauscht und hatte zu ihr hinaufgesehen –
darum hatte sie solche Angst; Daddy war wütend, und sie
hatte Angst, daß man sie gesehen hatte.
Ihre Hand zitterte, als sie sie aufs Geländer legte. Kein
Grund, sich aufzuregen, dachte sie bei sich. Ich bin nur
übermüdet, und heute war ein anstrengender Tag. Ich
werde es mir bequem machen und etwas essen.
In ihrem Schlafzimmer zog sie sich schnell aus und
langte nach dem Bademantel auf der Innenseite der Tür,
beschloß dann jedoch, statt dessen lieber den braunen
Velourskaftan anzuziehen. Der war warm und gemütlich.
An ihrem Frisiertisch steckte sie sich die Haare zurück
und begann sich das Gesicht einzucremen. Ihre
Fingerspitzen bewegten sich mechanisch über die Haut,
immer im Kreise, wie die Kosmetikerin es ihr beigebracht
hatte, preßten sich einen Augenblick lang gegen ihre
Schläfen, berührten die feine Narbe in der Nähe des
Haaransatzes.
Im Spiegel sah sie die Möbel hinter sich seltenverkehrt;
die Bettpfosten wirkten wie große Wachposten. Sie blickte
angespannt in den Spiegel. Sie hatte einmal gehört, wenn
man einen eingebildeten Punkt auf seiner Stirn anstarrte,
könnte man sich selbst hypnotisieren und in die
Vergangenheit zurückversetzen. Sie konzentrierte sich
eine ganze Minute lang auf diesen eingebildeten Punkt
und hatte das merkwürdige Gefühl, sich selbst durch einen
Tunnel schreiten zu sehen … Und es kam ihr so vor, als
wäre sie nicht allein. Sie hatte das Empfinden, daß jemand
bei ihr war.
Unsinn. Ihr wurde schwindelig, und sie bildete sich
etwas ein.
Unten in der Küche machte sie sich ein Omelette, Kaffee
und Toast und zwang sich, zu essen.
In der Küche war es wohlig warm. Sie mußte hin und
wieder mit ihrer Mutter und ihrem Vater hier gesessen
haben. Konnte sie sich vage zurückerinnern, wie sie auf
dem Schoß ihres Vaters an diesem Tisch gesessen hatte?
Veronica hatte ihr die letzte Weihnachtskarte von ihnen
gezeigt. Sie war mit Dean, Renée und Kerry
unterschrieben. Sie sprach die Namen laut aus: »Dean,
Renée und Kerry« – und fragte sich, warum das
rhythmisch falsch klang.
Als sie das Geschirr flüchtig unter Wasser hielt und in
die Geschirrspülmaschine steckte, wurde sie sich bewußt,
daß sie damit nur hinauszögerte, was sie unbedingt tun
mußte. Sie mußte diesen Zeitungsartikel studieren und
sehen, ob ihm etwas Neues über Dean und Renée Adams
zu entnehmen war.
Die Zeitung lag noch auf dem Tisch in der Bibliothek.
Sie schlug die Doppelseite auf und zwang sich, den Text
Zeile für Zeile zu lesen. Vieles wußte sie bereits, aber das
half nicht, den Schmerz zu lindern … »Die Waffe mit
Fingerabdrücken von beiden darauf … Dean Adams starb
auf der Stelle an dem Schuß, der ihn in die Stirn traf …
Renée Adams hat vielleicht noch eine Weile gelebt …«
Eine Spalte berichtete ausführlich über die Gerüchte, die
ihre Nachbarn voller Schadenfreude auf der Party
wiederaufgewärmt hatten: Die Ehe war eindeutig
unglücklich; Renée hatte ihren Mann gedrängt,
Washington zu verlassen; sie haßte die ewigen Empfänge;
sie war eifersüchtig wegen der Aufmerksamkeit, die ihr
Mann bei anderen Frauen erregte …
Dieser Ausspruch einer Nachbarin: »Sie war richtig
vernarrt in ihn – und er schielte dauernd nach anderen
Frauen.«
Es gab hartnäckige Gerüchte, daß Renée geschossen
hatte, nicht Dean Adams. Bei der amtlichen Untersuchung
hatte Renées Mutter sich bemüht, diesen Spekulationen
ein Ende zu bereiten. »Das ist nicht rätselhaft«, hatte sie
erklärt, »sondern eine Tragödie. Nur wenige Tage vor
ihrem Tod hat meine Tochter mir gesagt, sie wolle mit
Kerry nach Hause kommen, die Scheidung einreichen und
die Erziehungsberechtigung beantragen. Ich glaube, daß
ihr Entschluß ihn zu dieser Gewalttat veranlaßt hat.«
Vielleicht hatte sie recht, dachte Pat. Ich erinnere mich
daran, daß ich über einen Körper gestolpert bin. Doch
wieso bin ich sicher, daß es Mutters war, nicht seiner? Sie
war sich gar nicht sicher.
Sie betrachtete eingehend die Schnappschüsse, die fast
die ganze zweite Seite einnahmen. Willard Jennings sah so
gelehrtenhaft aus. Catherine Graney hatte gesagt, er hätte
den Sitz im Kongreß aufgeben und eine Ernennung zum
Collegepräsidenten annehmen wollen. Und Abigail war
eine bildschöne junge Frau. Mitten zwischen den anderen
Schnappschüssen war einer, der ziemlich unscharf war.
Pat sah ihn sich

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