Das Haus Am Potomac
darüber nach,
wohin Vater gegangen sein mochte. Es erschien ihr
unmöglich, was sie offenbar annahmen: daß er absichtlich
jemandem etwas angetan hatte. Er war der netteste
Mensch, der ihr je begegnet war. Aber nach
Mrs. Gillespies Tod war er furchtbar nervös gewesen.
Sie hoffte, daß er ihr nicht böse war, weil sie sich gestellt
hatte. Sie hätten sie ohnehin festgenommen. Sie war
sicher, daß Detective Barrott vorgehabt hatte, sie zu
überprüfen.
War Vater fortgegangen? Wahrscheinlich. Mit
wachsender Besorgnis dachte Eleanor daran, wie oft er
seine Stellungen gewechselt hatte. Wo war er jetzt?
Arthur aß in einer Cafeteria an der 14th Street früh zu
Abend. Er entschied sich für Beefstew, Lemon Meringue
Pie und Kaffee. Er aß langsam und mit Bedacht. Es war
wichtig, daß er jetzt gut aß. Es könnte Tage dauern, bis er
wieder etwas Warmes zu essen bekäme.
Sein Entschluß war gefaßt. Nach Einbruch der
Dunkelheit wollte er zu Patricia Traymores Haus
zurückkehren. Er wollte wieder durch das Fenster im
ersten Stock einsteigen und es sich in dem Schrank im
Gästezimmer bequem machen. Er würde sich Dosen mit
Sodawasser mitnehmen; in der Tasche hatte er auch noch
etwas von dem dänischen Gebäck und zwei Brötchen vom
Vormittag. Er sollte sich lieber auch noch ein paar Dosen
Saft holen und vielleicht etwas Erdnußbutter und
Roggenbrot. Das würde reichen, um ihn bis zu der
Sendung am nächsten Abend über die Runden zu bringen.
Er hatte neunzig kostbare Dollar für einen MiniaturSchwarz-Weiß-Fernseher mit Kopfhörern ausgegeben.
Auf die Art und Weise konnte er sich die Sendung direkt
bei Patricia Traymore im Haus ansehen.
Auf dem Weg dahin wollte er sich in einem Drugstore
auch noch Koffeintabletten kaufen. Er durfte es nicht
riskieren, im Schlaf zu schreien. Oh, wahrscheinlich
würde sie ihn von ihrem Zimmer aus gar nicht hören, aber
das Risiko durfte er nicht eingehen.
Vierzig Minuten später war er in Georgetown, zwei
Straßen von Patricia Traymores Haus entfernt. Das ganze
Viertel war ruhig, ruhiger, als es ihm recht war. Jetzt,
nachdem die Zeit der Weihnachtseinkäufe vorbei war,
würde ein Fremder hier eher auffallen. Vielleicht wurde
Miss Traymores Haus sogar von der Polizei überwacht. Es
war von Vorteil, daß ihr Haus auf einem Eckgrundstück
stand und das dahinter dunkel war.
Arthur schlich sich in den Hof dieses Hauses. Der
Holzzaun, der die Höfe trennte, war nicht hoch. Er ließ
seine Einkaufstüte auf der anderen Seite des Zauns
herunter, paßte auf, daß sie in eine Schneeverwehung
sackte, und kletterte dann mit Leichtigkeit hinterher.
Er wartete ab. Es war nichts zu hören. Miss Traymores
Wagen stand nicht in der Einfahrt. Das Haus war
vollkommen dunkel.
Es war schwer, mit der Einkaufstüte den Baum
hinaufzuklettern, weil der Stamm vereist war und es
schwierig war, sich daran festzuhalten; er konnte die
rissige kalte Rinde durch die Handschuhe fühlen. Wären
da nicht eine ganze Reihe Äste gewesen, hätte er es nicht
schaffen können. Das Fenster saß fest und war schwer zu
öffnen. Als er über das Fensterbrett einstieg, knarrten die
Bodenbretter heftig.
Einige qualvolle Minuten wartete er am Fenster, bereit,
schnell wieder Reißaus zu nehmen, den Baum
hinunterzuklettern und durch den Hof zu verschwinden.
Aber im Haus war nur Stille. Stille und das gelegentliche
Poltern des Heizkessels.
Er begann sich sein Versteck in dem Einbauschrank
einzurichten. Zufrieden stellte er fest, daß die Fächer nicht
hinten an der Wand befestigt waren. Wenn er sie ein
wenig nach vorne zog, sähe es immer noch so aus, als ob
sie hinten an die Wand stießen, und kein Mensch würde
ahnen, wieviel Platz in dem dreieckigen Raum dahinter
blieb.
Er begann seinen Schlupfwinkel sorgsam auszustatten.
Er suchte sich eine dicke Steppdecke und legte sie auf
den Boden. Sie war groß genug, um ihm als Schlafsack zu
dienen. Er stellte seine Lebensmittelvorräte und seinen
Fernseher zurecht. In dem niedrigsten Fach waren vier
große Kissen.
In wenigen Minuten war er mit allem fertig. Jetzt mußte
er alles auskundschaften.
Unglücklicherweise hatte sie kein Licht angelassen. Das
hieß, daß er bei seinen Rundgängen seine Taschenlampe
sehr tief nach unten halten mußte, damit kein Licht durch
das Fenster hinausschimmerte. Er übte mehrmals,
zwischen dem Elternschlafzimmer und dem Gästezimmer
hin und her zu gehen, testete die Bodenbretter und fand
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