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Das Haus Am Potomac

Das Haus Am Potomac

Titel: Das Haus Am Potomac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Treppenabsatz gesessen und der Musik gelauscht.
    Da hatten die Stimmen wieder zu ihm zu reden
begonnen, hatten ihm gesagt, wenn das hier vorbei sei,
müsse er sich ein neues Pflegeheim suchen, in dem er
weiter seine Mission erfüllen könnte. Er war so in
Gedanken vertieft gewesen, daß er gar nicht bemerkt hatte,
wie die Musik aufhörte, und gar nicht mehr daran gedacht
hatte, wo er war, bis er Patricia Traymores Schritte auf der
Treppe vernommen hatte.
    In der Eile, in sein Versteck zurückzugelangen, war er
auf das lose Brett getreten, und sie hatte bemerkt, daß
etwas nicht in Ordnung war. Er hatte nicht zu atmen
gewagt, als sie die Tür des Einbauschranks aufmachte.
Aber es war ihr natürlich nicht in den Sinn gekommen,
hinter die Fächer zu schauen.
    Und so saß er die ganze Nacht wach, horchte gebannt
auf Geräusche, ob sie wach wurde, war froh, als sie
endlich wieder das Haus verließ, traute sich aber nicht,
den Schrank länger als für wenige Minuten zu verlassen.
Womöglich kam eine Haushälterin und hörte ihn.
    Die Stunden vergingen langsam. Dann wiesen ihn die
Stimmen an, diese braune Robe aus Patricia Traymores
Schrank zu nehmen und anzuziehen.
Wenn sie Glory preisgäbe, wäre er damit passend
gekleidet, um ihr ihre Strafe zu erteilen.

38
    Pat kam um halb zehn im Sender an und beschloß, erst in
der Kantine Kaffee und frische Muffins zu sich zu
nehmen. Sie fühlte sich noch nicht gewappnet für die
gespannte Atmosphäre, die gereizte Grundstimmung und
die Nervenexplosionen, die sie, wie sie wußte, an diesem
letzten Aufnahme- und Schlußredaktionstag erwarteten.
Sie hatte pochende Kopfschmerzen und fühlte sich völlig
zerschlagen, da sie unruhig geschlafen und schlecht
geträumt hatte. Einmal hatte sie laut geschrien, aber sie
wußte nicht mehr, was. Im Auto hatte sie die Nachrichten
angestellt und von Catherine Graneys Tod gehört. Sie
wurde gedanklich das Bild dieser Frau nicht mehr los. Wie
ihr Gesicht gestrahlt hatte, als sie über ihren Sohn sprach;
wie sie ihren alt gewordenen Irischen Setter zärtlich
tätschelte. Catherine Graney hätte ihre Drohung wahr
gemacht und die Senatorin und den Sender nach
Ausstrahlung dieses Features verklagt. Mit ihrem Tod war
diese Drohung hinfällig gewesen.
    War sie zufällig einem Verbrechen zum Opfer gefallen?
In dem Bericht hatte es geheißen, sie sei mit ihrem Hund
spazieren gegangen. Wie hieß der noch? Sligo? Es
erschien ihr unwahrscheinlich, daß ein Verbrecher sich als
Opfer eine Frau mit einem großen Hund aussuchte.
    Pat schob das Gebäck zurück. Sie hatte keinen Hunger.
Es war erst drei Tage her, da hatte sie mit Catherine
Graney Kaffee getrunken. Jetzt war diese attraktive,
lebenssprühende Frau tot.
    Als sie ins Studio kam, war Luther schon in den
Aufnahmekulissen, das Gesicht voller Flecken, die Lippen
blutleer, die Augen ständig in Bewegung, auf der Suche
nach Dingen, die es auszusetzen galt. »Ich habe Ihnen
doch gesagt, Sie sollen diese Blumen fortnehmen!« schrie
er. »Es ist mir gleichgültig, ob sie gerade frisch geliefert
sind oder nicht. Sie sehen verwelkt aus. Kann hier
niemand etwas richtig machen? Und dieser Stuhl ist nicht
hoch genug für die Senatorin. Er sieht wie ein
Melkschemel aus.« Er entdeckte Pat. »Ach, Sie sind auch
endlich da. Haben Sie das über diese Graney gehört?
Diesen Teil, wo Abigail über Verkehrssicherheit spricht,
müssen wir noch mal neu machen. Sie zieht ein wenig zu
hart über diesen Piloten her. Das zieht eine Gegenreaktion
nach sich, wenn die Leute erfahren, daß seine Witwe
einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Wir fangen in
zehn Minuten mit den Aufnahmen an.«
    Pat starrte Luther an. Catherine Graney war ein guter,
anständiger Mensch gewesen, und das einzige, was diesen
Mann interessierte, war, daß ihr Tod Neuaufnahmen
notwendig machte. Sie drehte sich wortlos um und ging in
ihren Umkleideraum.
    Senatorin Jennings saß mit einem Handtuch um die
Schultern vor einem Spiegel. Die Maskenbildnerin
flatterte nervös um sie herum und tupfte ihr noch etwas
Puder auf die Nase. Die Hände der Senatorin waren fest
gefaltet. Ihre Begrüßung war jedoch ziemlich herzlich.
»Bald haben wir’s geschafft, Pat. Werden Sie auch so froh
sein wie ich, wenn das vorbei ist?«
»Ja, ich glaube, Senatorin.«
     
Die Maskenbildnerin nahm eine Dose Haarspray hoch
und probierte sie aus.
    »Sprühen Sie das Zeug nicht auf mich«, fuhr die
Senatorin sie

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