Das Haus Am Potomac
an. »Ich will nicht wie eine Barbie-Puppe
aussehen.«
»Entschuldigen Sie.« Der Maskenbildnerin versagte die
Stimme. »Die meisten Leute …« Sie verstummte.
Pat, die spürte, daß Abigail sie im Spiegel beobachtete,
vermied bewußt jeden Augenkontakt.
»Da gibt es noch einige Dinge, über die wir reden
sollten.« Jetzt war Abigails Ton munter und geschäftig.
»Ich bin ganz froh, daß wir diese Passage über
Flugsicherheit noch einmal neu machen, obwohl diese
Sache mit Mrs. Graney natürlich schrecklich ist. Aber ich
möchte stärker herausstellen, wie wichtig es ist, daß die
Anlagen auf den kleineren Flugplätzen besser werden.
Und ich bin zu dem Schluß gekommen, daß wir noch
ausführlicher über meine Mutter reden sollten. Es hat
keinen Sinn, diesem Bild im Mirror und dieser
Doppelseite in der gestrigen Tribune nicht direkt etwas
entgegenzusetzen. Und natürlich sollten wir auch meine
Rolle in auswärtigen Angelegenheiten betonen. Ich habe
für Sie einige Fragen vorbereitet, die Sie mir stellen
können.«
Pat legte die Bürste hin, die sie in der Hand hielt, und
wandte ihr Gesicht der Senatorin zu. »Ach, wirklich?«
Vier Stunden später saß eine kleine Gruppe von Menschen
bei Sandwiches und Kaffee im Vorführraum, um sich die
vollständigen Aufzeichnungen anzusehen. In der ersten
Reihe saß Abigail in der Mitte zwischen Luther und
Philip. Pat saß einige Reihen hinter ihnen neben dem
Regieassistenten. In der letzten Reihe hielt Toby einsame
Wache.
Die Sendung begann damit, daß Pat, Luther und die
Senatorin in einem Halbkreis zusammensaßen. »Guten
Abend, und willkommen zur ersten Sendung unserer Serie Frauen in der Regierung … « Pat beobachtete sich kritisch.
Ihre Stimme war noch heiserer als sonst; die steife Art,
wie sie dasaß, verriet Anspannung. Luther wirkte völlig
locker, und insgesamt schien der Einstieg ganz in Ordnung
zu sein. Sie und Abigail ergänzten einander gut. Abigails
blaues Seidenkleid machte sich hervorragend; es wirkte
weiblich, doch nicht übertrieben. Ihr Lächeln war herzlich,
mit Fältchen um die Augen. Die Einführung war
schmeichelhaft, das erkannte sie ohne jeden Vorbehalt an.
Sie sprachen über ihr Amt als Senatorin von Virginia.
Abigail: »Es ist eine äußerst anstrengende und gleichzeitig
befriedigende Aufgabe …« Die Montage von Fotos aus
Apple Junction. Die Aufnahmen von Abigail mit ihrer
Mutter. Pat beobachtete, wie Abigails Stimme zärtlicher
wurde. »Meine Mutter sah sich mit den gleichen
Problemen konfrontiert wie viele arbeitende Frauen
heutzutage. Sie wurde Witwe, als ich sechs war. Sie wollte
mich nicht allein lassen und nahm daher eine Arbeit als
Haushälterin an. Sie verzichtete auf eine Karriere im
Hotel-Management, um für mich dazusein, wenn ich aus
der Schule nach Hause kam. Wir standen uns sehr nahe.
Sie war immer sehr unglücklich wegen ihres Gewichts.
Sie war drüsenkrank. Ich schätze, daß viele Menschen das
nachempfinden können. Wenn ich sie zu überreden
versuchte, bei Willard und mir zu wohnen, lachte sie
immer und sagte: ›Einen Berg kann man nicht nach
Washington versetzen.‹ Sie war ein fröhlicher,
liebenswerter Mensch.« An der Stelle wurde Abigails
Stimme zitterig. Und dann erklärte Abigail ihre Teilnahme
an dem Schönheitswettbewerb: »In einem bekannten Film
hieß es mal, die Sportler wollten das Spiel ihrem kranken
Trainer zuliebe gewinnen … Ich wollte meiner Mom
zuliebe gewinnen …«
Pat ertappte sich dabei, wie sie dem Zauber von Abigails
herzlicher Ausstrahlung verfiel. Selbst die Szene in
Abigails Wohnzimmer, als die Senatorin ihre Mutter als
fette Tyrannin dargestellt hatte, kam ihr jetzt unwirklich
vor. Aber das war echt, dachte sie. Abigail Jennings ist
eine gute Schauspielerin. Die Filmausschnitte von dem
Empfang und dem ersten Wahlkampf. Pats Fragen an
Abigail: »Senatorin, Sie waren damals jung verheiratet;
Sie bereiteten sich auf das Ende Ihres Studiums vor, und
Sie unterstützten Ihren Mann in seinem ersten Wahlkampf
um einen Sitz im Kongreß. Erzählen Sie uns, wie das für
Sie war.« Abigails Antwort: »Es war wunderbar.
Ich war sehr verliebt. Als Berufsziel hatte mir immer
vorgeschwebt, die rechte Hand jemandes zu werden, der
ein öffentliches Amt bekleidete. Wissen Sie, zwar hatte
schon immer ein Jennings einen Sitz im Parlament,
trotzdem mußte Willard hart kämpfen. Die Nacht, als wir
hörten, daß Willard gewählt war – das war
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