Das Haus Am Potomac
Toyota, stand in der Einfahrt. Er schob ihn bis
zur Straße hinunter. Er wollte nicht, daß Abby merkte, daß
er fortfuhr. Er hatte nicht ganz anderthalb Stunden Zeit für
seine Fahrt zu Pat Traymores Haus und zurück.
Das würde reichen, um zu tun, was zu tun war.
41
Pat überquerte die Massachusetts Avenue, fuhr die Q
Street entlang und über die Buffalo Bridge nach
Georgetown. Sie hatte Kopfschmerzen – ein ständiges
Pochen. Sie fuhr ganz mechanisch, beachtete unbewußt
die Ampeln.
Auf einmal war sie schon auf der 31st Street, fuhr um
die Ecke und in ihre Einfahrt hinein. Als sie auf der
Treppe stand, peitschte ihr der Wind ins Gesicht. Ihre
Finger durchsuchten die Handtasche nach ihrem Schlüssel.
Das Schloß schnappte auf, sie schob die Tür auf und trat in
die ruhige Dunkelheit des Foyers.
Automatisch schloß sie die Tür hinter sich und lehnte
sich dagegen. Der Mantel lastete ihr schwer auf den
Schultern. Sie ließ ihn von den Schultern gleiten, warf ihn
achtlos beiseite. Sie hob den Kopf; ihre Augen hefteten
sich auf die Stufe an der Treppenbiegung. Da saß ein
Kind. Ein Kind mit langen rotbraunen Haaren, das Kinn
in den Handflächen aufgestützt, das Gesicht voller
Neugier.
Ich habe nicht geschlafen, dachte sie. Ich hörte, wie es
an der Tür läutete, und wollte sehen, wer da kam. Daddy
machte die Tür auf, und jemand rauschte an ihm vorbei.
Er war wütend. Ich huschte in mein Bett zurück. Als ich
den ersten Schuß hörte, bin ich nicht gleich
hinuntergerannt. Ich blieb im Bett und rief nach Daddy.
Aber er kam nicht. Und ich hörte noch einen lauten
Knall und lief die Treppe zum Wohnzimmer hinunter …
Und dann …
Sie merkte, daß sie zitterte und daß ihr schwindelig war.
Sie ging in die Bibliothek, goß sich einen Brandy ein und
trank ihn hastig. Warum war Senatorin Jennings so außer
sich gewesen über den Brief? Sie war entsetzt, wütend,
hatte Angst.
Warum?
Es ergab keinen Sinn.
Und warum habe ich mich beim Lesen so aufgeregt?
Warum habe ich mich jedesmal, wenn ich ihn las,
aufgeregt?
Wie Toby mich angesehen hat – als ob er mich haßte.
Wie er die Senatorin angeschrien hat. Er hat nicht
versucht, sie zu beruhigen. Er hat versucht, sie in bezug
auf irgend etwas zu warnen. Aber in bezug auf was?
Sie saß zusammengekuschelt in der Sofaecke, die Arme
um die Knie gelegt. So habe ich oft hier gesessen, wenn
Daddy an seinem Schreibtisch arbeitete. »Du kannst
hierbleiben, Kerry, wenn du mir versprichst, still zu sein.«
Wieso erinnerte sie sich jetzt so lebhaft an ihn? Sie
konnte ihn vor sich sehen, nicht so, wie er in den
Filmausschnitten ausgesehen hatte, sondern wie er hier in
diesem Raum gewesen war, wie er zurückgelehnt in
seinem Sessel gesessen hatte und mit den Fingern auf den
Schreibtisch trommelte, wenn er sich konzentrierte.
Der Zeitungsartikel lag immer noch aufgeschlagen auf
dem Schreibtisch. Einem plötzlichen Impuls nachgebend,
ging sie hin und las ihn noch einmal sorgfältig durch. Ihre
Augen wanderten immer wieder zu dem Bild von ihrem
Vater und Abigail Jennings am Strand. Da war
unübersehbar eine gewisse Vertrautheit. War es ein
Sommernachmittagsflirt oder mehr? Angenommen, ihre
Mutter hätte aufgeschaut und die beiden bei diesem
Blickwechsel ertappt?
Warum hatte sie solche Angst? Sie hatte die letzte Nacht
schlecht geschlafen. Ein heißes Bad und ein wenig Ruhe
würden ihr guttun. Langsam stieg sie die Treppe zu ihrem
Zimmer hinauf. Und wieder hatte sie dieses unheimliche
Gefühl, daß jemand sie beobachtete. Dasselbe Gefühl
hatte sie schon gestern abend gehabt, bevor sie einschlief,
doch auch jetzt wischte sie es wieder beiseite.
Gerade als sie in ihr Zimmer kam, läutete das Telefon.
Es war Lila.
»Pat, geht es Ihnen gut? Ich mache mir Sorgen um Sie.
Ich will Sie nicht beunruhigen, aber ich muß Sie warnen.
Ich spüre, daß Sie von Gefahr umgeben sind. Wollen Sie
nicht zu mir herüberkommen und bei mir bleiben?«
»Lila, ich glaube, Sie haben diese Ahnungen, weil es
nun kurz davor ist, daß die Erinnerungen an jene Nacht bei
mir hervorbrechen. Es hat sich heute etwas ereignet,
während der letzten Aufzeichnungen, und das scheint das
auszulösen. Aber machen Sie sich keine Sorgen –
gleichgültig, was dabei herauskommt, ich werde damit
schon fertig.«
»Pat, hören Sie auf mich. Sie sollten sich jetzt nicht in
diesem Haus aufhalten!«
»Aber nur so kann ich die Begebenheiten Stück für
Stück wieder in
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