Das Haus Am Potomac
mit
einem perlenbedeckten Mieder. Ein Glockenrock hob
schmeichelnd ihre schmale Taille und ihre schlanke Figur
hervor. Ihr Haar war lose zurückgekämmt und zu einem
Knoten zusammengesteckt. Weiche Linien umrahmten ihr
makellos schönes Gesicht. Ein hellblauer Lidschatten
betonte ihre außergewöhnlichen Augen, und Rouge
brachte ihre Wangenknochen zur Geltung. Ein dunklerer
Apricot-Farbton unterstrich die Konturen ihrer perfekt
geformten Lippen.
Dies war eine völlig veränderte Abigail, eine, die leise
lachte, einem Botschafter in den Achtzigern einen
Moment länger als nötig die Hand auf den Arm legte,
Komplimente für ihr Aussehen als ihr zustehenden Tribut
entgegennahm. Pat fragte sich, ob es den anderen Frauen
im Raum ebenso erging wie ihr – sie kam sich plötzlich
farblos und nichtssagend vor.
Abigail hatte den Zeitpunkt ihres Eintreffens gut
gewählt. Einen Augenblick später wechselte die Band zu
einem schwungvollen »Hail to the Chief« über. Der
Präsident und die First Lady kamen aus ihren
Privaträumen herabgestiegen. In ihrer Begleitung
befanden sich der neue Premierminister von Kanada und
dessen Frau. Als die letzten Noten von »Hail to the Chief«
verklangen, setzten die Anfangsakkorde der kanadischen
Nationalhymne ein.
Eine Menschenschlange formte sich zu ihrem Empfang.
Als Pat sich zusammen mit Sam dem Präsidenten und der
First Lady näherten, merkte sie, daß ihr Herz klopfte.
Die First Lady sah in Wirklichkeit viel attraktiver aus als
auf Bildern. Sie hatte ein längliches, ruhiges Gesicht, volle
Lippen und hellbraune Augen. Ihre Haare waren
sandfarben und graudurchwirkt. Sie strahlte irgendwie
große Selbstsicherheit aus. Wenn sie lächelte, entblößte
sie kräftige ebenmäßige Zähne, und um ihre Augen
bildeten sich Fältchen. Sie sagte zu Pat, als junges
Mädchen habe sie den Wunsch gehabt, mal beim
Fernsehen zu arbeiten. Sie blickte lachend zu ihrem Mann
auf. »Doch kaum hatte ich die lustigen Tage von Vassar
hinter mir, war ich statt dessen verheiratet.«
»Das war sehr schlau von mir, daß ich sie mir
geschnappt habe, bevor ein anderer es konnte«, meinte der
Präsident. »Pat, freut mich, Ihre Bekanntschaft zu
machen.«
Es war ein erregender Moment, den festen Händedruck
des mächtigsten Mannes der Welt zu spüren.
»Das ist ein liebenswürdiges Paar«, bemerkte Sam, als
sie einen Champagner annahmen. »Und er ist ein starker
Präsident. Es ist kaum zu glauben, daß seine zweite
Amtsperiode schon ihrem Ende zugeht. Er ist jung, noch
nicht einmal sechzig. Es wird interessant sein, zu sehen,
was er mit dem Rest seines Lebens anfängt.«
Pat beobachtete die First Lady. »Ich würde gerne eine
Sendung über sie machen. Sie scheint sich in ihrer Haut
wohl zu fühlen.«
»Ihr Vater war Botschafter in England; ihr Großvater
war Vizepräsident. Generationen feinster Erziehung und
Schulung und Geld gepaart mit diplomatischer Lebensart
vermitteln halt Selbstvertrauen, Pat.«
Im State Dining Room waren die Tische mit LimogesPorzellan gedeckt, einem Service mit einem feinen grünen
Muster und Goldrand. Hellgrüne Damast-Tischtücher und
Servietten mit roten Rosen und Farnkräutern im Mittelteil,
die in niedrigen Kristallbehältern steckten,
vervollständigten das Bild. »Tut mir leid, daß wir nicht
zusammensitzen«, meinte Sam, »aber du scheinst einen
guten Tisch zu haben. Und nimm bitte zur Kenntnis,
wohin man Abigail gesetzt hat.«
Sie saß am Präsidententisch zwischen dem Präsidenten
und dem Ehrengast, dem Premierminister von Kanada.
»Ich wünschte, ich könnte das aufnehmen«, murmelte
Pat.
Sie warf einen Blick auf die ersten Gerichte der
Speisekarte: Lachs in Aspik, Kapaun-Suprême in
flambierter Kognaksauce, wilder Reis.
Ihr Dinner-Partner war der Generalstabchef. Zu den
anderen Gästen an ihrem Tisch zählten unter anderen ein
Collegepräsident, ein Bühnenautor, der PulitzerPreisträger war, ein Bischof der Episkopalkirche und der
Leiter des Lincoln-Center.
Sie blickte sich um, um zu sehen, wo Sam abgeblieben
war. Er saß am Präsidententisch, direkt gegenüber
Senatorin Jennings. Sie lächelten einander an. Ein
Schmerz durchzuckte Pat, und sie blickte schnell wieder
weg.
Gegen Ende des Dinners bat der Präsident alle
Anwesenden, mit einem Gebet des Vizepräsidenten zu
gedenken, der schwer krank sei. »Er hat häufiger, als uns
allen klar war, anstrengende vierzehn Stunden am Tage
gearbeitet, ohne Rücksicht
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