Das Haus Am Potomac
eine Mutter in der ganzen Welt, die Sie dafür nicht
lieben würde. Luther kann Ihnen zeigen, wie ich mir die
Sendung weiter vorgestellt habe. Aber ich will Ihnen eines
sagen. Wenn Sie nicht Vizepräsidentin werden, dann nicht
wegen dieses Bildes – sondern wegen Ihrer Reaktion
darauf und weil Sie sich Ihrer gesellschaftlichen Herkunft
schämen.
Ich werde den Fahrer bitten, mich nach Hause zu
bringen«, sagte sie. Dann wandte sie sich mit funkelnden
Augen an Luther. »Sie können mich ja morgen früh
anrufen und mir mitteilen, ob Sie wollen, daß ich mit der
Sendung weitermache. Gute Nacht, Senatorin.«
Sie drehte sich um und machte Anstalten zu gehen.
Luthers Stimme bewegte sie dazu, zu bleiben. »Toby,
sehen Sie zu, daß Sie aus dem Sessel herauskommen, und
machen Sie uns Kaffee. Pat, setzen Sie sich, wir wollen
sehen, wie wir die Sache wieder ins reine bringen
können.«
Es war halb zwei, als Pat nach Hause kam. Sie zog sich
ein Nachthemd und ihren Bademantel an, machte sich
einen Tee, ging damit ins Wohnzimmer und machte es
sich auf der Couch bequem.
Sie betrachtete den Weihnachtsbaum und dachte über
den vergangenen Tag nach. Wenn sie Catherine Graneys
Worte für bare Münze nahm, dann war die große Liebe
zwischen Abigail und Willard Jennings eine Lüge. Wenn
sie glaubte, was sie auf der Party des Botschafters
mitangehört hatte, dann war ihre Mutter neurotisch. Wenn
sie der Senatorin Glauben schenkte, dann war alles, was
Jeremy Saunders ihr erzählt hatte, wirres Gejammere.
Er mußte das Bild von Abigail an den Mirror geschickt
haben. Das war genau die Gemeinheit, die sie ihm
zutraute.
Sie trank den letzten Schluck Tee und stand auf. Es hatte
keinen Sinn, weiter darüber nachzudenken. Sie ging zum
Weihnachtsbaum, um die Kerzen auszustellen, doch etwas
ließ sie innehalten. Als sie mit Lila einen Sherry getrunken
hatte, war ihr aufgefallen, daß etwas von dem
Christbaumschmuck heruntergefallen war und auf dem
Boden lag. Da muß ich mich wohl geirrt haben, dachte sie.
Sie zuckte mit den Schultern und ging zu Bett.
22
Am Weihnachtsmorgen stand Toby um Viertel nach neun
in Abigail Jennings’ Küche und wartete, daß der Kaffee
durchlief. Er hoffte, selber eine Tasse davon trinken zu
können, bevor Abby erschien. Sicher, er kannte sie schon
seit ihrer Kindheit, doch wie sie an diesem Tag gelaunt
sein würde, wußte auch er nicht vorauszusagen. Der
gestrige Abend war scheußlich gewesen. Er hatte sie nur
zweimal vorher so aufgebracht gesehen, und an diese
beiden Male mochte er nicht zurückdenken.
Nachdem Pat Traymore gegangen war, hatten Abby,
Pelham und Phil noch eine geschlagene Stunde
zusammengesessen und überlegt, was zu tun war. Oder
vielmehr hatte Abby Pelham angeschrien und ihm ein
dutzendmal gesagt, sie glaube immer noch, daß Pat
Traymore eigentlich für Claire Lawrence arbeite und er,
Pelham, vielleicht auch.
Damit war Abigail – selbst für ihre Verhältnisse –
ziemlich weit gegangen, und Toby war überrascht
gewesen, daß Pelham sich das hatte gefallen lassen. Später
gab Phil ihm eine Erklärung dafür: »Hör mal, er ist der
größte Fernsehnachrichtenmoderator im ganzen Land. Er
hat Millionen verdient. Aber er ist sechzig und langweilt
sich zu Tode. Jetzt möchte er ein zweiter Edward R.
Murrow werden. Murrow hat seine Karriere damit
gekrönt, daß er Leiter des Presse- und Informationsamtes
der Regierung wurde. Pelham will diesen Posten so sehr,
daß ihm schon das Wasser im Munde zusammenläuft.
Ungeheures Prestige und kein Gerangel um
Einschaltziffern mehr. Die Senatorin wird ihm nach oben
helfen, wenn er ihr nach oben hilft. Er weiß, daß sie mit
Recht ein Geschrei darüber veranstaltet, wie diese
Sendung läuft.«
Toby hatte dem zustimmen müssen, was Pelham gesagt
hatte. Ob sie es wollte oder nicht, der Schaden war nun
mal angerichtet. Entweder nahm man Apple Junction und
die Schönheitswettbewerbe mit in die Sendung auf, oder
das Ganze würde wie eine Farce erscheinen.
»Sie können nicht die Augen davor verschließen, daß Sie
auf der Titelseite des National Mirror sind«, sagte Pelham
immer wieder zu Abby. »Das Blatt wird von vier
Millionen Menschen gelesen und von denen noch an wer
weiß wieviele weitergereicht. Das Bild wird von allen
Sensationsblättern des Landes nachgedruckt werden. Sie
müssen sich genau überlegen, wie Sie sich ihnen
gegenüber dazu äußern wollen.«
»Wie ich mich äußern
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