Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus Am Potomac

Das Haus Am Potomac

Titel: Das Haus Am Potomac Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
will?« hatte Abby getobt. »Ich
werde ihnen die Wahrheit sagen: Daß mein Vater ein
Saufbold war und seine einzige anständige Handlung darin
bestand, daß er starb, als ich sechs war. Dann kann ich
noch erklären, daß der Horizont meiner fetten Mutter sehr
begrenzt war und sie mit mir keine höheren Pläne hatte,
als daß ich Miss Apple Junction und eine gute Köchin
würde. Finden Sie nicht auch, daß das genau die richtige
Herkunft für eine Vizepräsidentin ist?« Sie heulte vor
Wut. Abigail weinte nicht so leicht. Toby konnte sich nur
an zwei Gelegenheiten erinnern …
    Er hatte ihr seine Meinung gesagt. »Abby, hör mal. Du
kannst das Bild von Francey nicht wegleugnen, also laß
dir etwas einfallen und geh auf Pat Traymores Vorstellung
ein.« Das hatte sie beruhigt. Ihm vertraute sie.
    Er hörte Abbys Schritte im Flur. Er war neugierig, was
sie anhatte. Pelham war auch der Ansicht gewesen, daß sie
sich bei dem Weihnachtsgottesdienst in der Kathedrale
sehen lassen und sich fotogen, aber nicht zu luxuriös
anziehen sollte. »Lassen Sie Ihren Nerz zu Hause«, hatte
er geraten.
    »Guten Morgen, Toby. Frohe Weihnachten.« Das klang
sarkastisch, aber beherrscht. Noch bevor er sich umdrehte,
wußte er, daß sie ihre Kaltblütigkeit wiedererlangt hatte.
    »Frohe Weihnachten, Senatorin.« Er wirbelte herum.
»He, du siehst großartig aus.«
Sie trug ein knallrotes doppelreihiges Kostüm. Die Jacke
reichte ihr bis zu den Fingerspitzen hinab, dazu gehörte
ein Faltenrock.
    »Wie eine Gehilfin des Weihnachtsmanns«, meinte sie
kurz angebunden. Aber wenn sie auch etwas gereizt klang,
so schwang in ihrer Stimme doch ein gewisses
Amüsement mit. Sie nahm ihre Tasse und hielt sie hoch,
als wollte sie einen Toast ausbringen. »Wir werden auch
das schaffen, nicht wahr Toby?«
»Darauf möchte ich wetten!«
    Sie wurde schon vor der Kathedrale erwartet. Kaum war
Abigail aus dem Auto ausgestiegen, da hielt ihr ein
Fernsehkorrespondent schon ein Mikrofon entgegen.
    »Frohe Weihnachten, Senatorin.«
»Frohe Weihnachten, Bob.« Das war sehr schlau von
Abby, fand Toby. Sie gab sich Mühe, alle Presse- und
Fernsehleute zu kennen, gleichgültig wie unbedeutend sie
waren.
»Senatorin, Sie stehen gerade im Begriff, zur
Weihnachtsmette in die National Cathedral zu gehen.
Werden Sie für etwas Bestimmtes beten?«
Abby zögerte gerade lange genug, bevor sie antwortete:
»Bob, ich glaube, wir beten alle für Frieden in der Welt,
oder nicht? Und dann werde ich noch für die Hungrigen
beten. Wäre es nicht wunderbar zu wissen, daß jeder
Mann, jede Frau und jedes Kind auf Erden heute abend
gut zu essen bekämen?« Sie lächelte und folgte dem Strom
der Menge durch das Portal der Kathedrale.
Toby stieg wieder ins Auto. Toll, dachte er. Er langte
unter den Fahrersitz und holte die Renntabelle hervor.
Die Pferde hatten ihm in letzter Zeit nicht allzuviel
Glück gebracht. Es wurde Zeit, daß sich das änderte.
Der Gottesdienst dauerte eine Stunde und fünfzehn
Minuten. Als die Senatorin herauskam, fing ein anderer
Reporter sie ab. Dieser stellte ihr einige unerfreuliche
Fragen. »Senatorin, haben Sie die Titelseite des National
Mirror von dieser Woche gesehen?«
Toby war gerade um das Auto herumgekommen, um ihr
die Tür aufzuhalten. Er hielt den Atem an, gespannt, wie
sie sich verhielte.
Abby lächelte – eine warmes, glückliches Lächeln. »Ja,
das habe ich.«
»Was denken Sie darüber, Senatorin?«
Abby lachte. »Es hat mich sehr überrascht. Ich muß
gestehen, ich bin es eher gewohnt, im Congressional
Record als im National Mirror erwähnt zu werden.«
»Haben Sie sich über das Erscheinen dieses Bildes
aufgeregt oder geärgert, Senatorin?«
»Natürlich nicht. Warum sollte ich? Ich glaube, mir geht
es da genauso wie den meisten Menschen: An Feiertagen
denkt man an seine Lieben, die nicht mehr unter uns
weilen. Das Bild hat mir wieder in Erinnerung gerufen,
wie glücklich meine Mutter war, als ich den Wettbewerb
gewann. Ich hatte ihr zum Gefallen daran teilgenommen.
Sie war Witwe, wissen Sie, und hat mich ganz allein
großgezogen. Wir standen uns sehr, sehr nahe.«
Jetzt wurden ihre Augen feucht, ihre Lippen begannen
zu zittern. Sie beugte schnell den Kopf und stieg ins Auto.
Toby schlug sogleich entschieden die Tür hinter ihr zu.
    Als Pat nach der Morgenmette nach Hause kam, blinkte
das Licht des Anrufbeantworters. Sie drückte automatisch
auf den Rückspulknopf, bis das Band

Weitere Kostenlose Bücher