Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
Eine Wasserlawine, viel größer als alle vorherigen, ging auf ihn nieder und warf ihn zu Boden, bevor sie ihn tief unter sich begrub. Und im selben Augenblick schloß der Wind, der mit neuer Wut heranbrauste, den Riß in der Wolkendecke, und Dunkelheit senkte sich herab.
    »Wenn er zu dem gesprochen hat, an den ich denke, dann ist er wirklich ein Narr«, sagte die Wache fromm. »Wer keine Achtung vor den Göttern hat, den verschlingen sie und spucken ihn aus.«
    Der Hauptmann lächelte.
    »Abwarten«, sagte er.
    Sie mußten nicht lange warten. Als wolle auch der Sturm feststellen, was sein letzter Angriff bewirkt hatte, zog er die Wolkendecke wieder beiseite.
    »Leck mich am Sack und nenne mich Zeus!« rief der Wachposten aus, seine jüngste Anwandlung von Frömmigkeit völlig vergessend.
    Da war er wieder, beinahe an derselben Stelle, wo er zu Anfang gewesen war, aber immer noch lebendig. Wieder fing er an, sich über den Strand zurückzukämpfen. Doch als das Wasser nun zurückfloß, war kein Kiesstreifen mehr zu sehen, sondern nur noch etwa dreißig Zentimeter hohes Wasser. Das machte es dem Mann wesentlich schwerer, Halt im Untergrund zu finden, erlaubte es ihm aber zugleich, ein paar Schwimmstöße mit seinen kräftigen Armen zu machen, so daß er bald wieder die schützende Sicherheit der Felsbrocken erreichte.
    Da kauerte er, das Kinn auf seine breite Brust gebettet, die sich hob und senkte, während er mit tiefen Atemzügen die feuchte Luft einsog.
    »Tapfer ist er«, gab der Posten widerwillig zu. »Das muß ich ihm lassen. Aber er hat es noch nicht geschafft. Wie hoch wird die Flut hier wohl steigen, Hauptmann?«
    »Normalerweise würde sie gerade mal den Fuß der Klippe erreichen, dreißig Zentimeter höchstens. Aber das ist keine normale Flut. Ich habe keine Ahnung, ob es am Zorn des Gottes liegt oder ob wir nur sehr schlechtes Wetter haben, aber wenn der Wind nicht nachläßt, dann wird das Meer in einer Stunde zehn Meter hoch an der Klippe stehen.«
    »Das wär’s dann also«, meinte die Wache mit einiger Genugtuung.
    »Nicht unbedingt. Er könnte raufklettern.«
    »An den Felsen? Nie im Leben! Die sind glatt und steil, und oben ist ein Überhang. Das würde ich nicht an meinem besten Tag riskieren, und der alte Wichser muß völlig ausgelaugt sein.«
    »Das Doppelte, oder wir sind quitt?« sagte der Hauptmann beiläufig.
    Die Wache wandte den Kopf und sah ihn von der Seite an, aber sein Gesichtsausdruck war glatt und undurchdringlich wie die Felswand und auch kein bißchen anziehender.
    Dann schaute er nach unten. Der Mann stand schon bis zu den Knien im Wasser.
    »Einverstanden«, sagte die Wache.
    Der Grieche unten betrachtete die Felswand. Seine Gesichtszüge waren durch das dichte Geflecht seines Bartes nicht zu erkennen, doch selbst auf diese Entfernung konnten sie den hellen Glanz seiner Augen im Widerschein des Mondlichts sehen. Er rieb die Hände kräftig an den Fetzen seines Gewands, als versuchte er, freilich vergeblich, sie zu trocknen, dann faßte er nach oben und begann zu klettern.
    Er schaffte es ungefähr einen Meter über die Wasseroberfläche, bevor er den Halt verlor und zurückschlitterte. Er versuchte es noch dreimal, und dreimal stürzte er ab. Jedesmal, wenn er wieder im Wasser landete, war es ein Stückchen höher gestiegen.
    »Sieht aus, als ob wir quitt wären, Hauptmann«, meinte die Wache.
    »Vielleicht.«
    »Was macht das alte Schwein jetzt?«
    Das alte Schwein hatte sein zerfetztes Gewand ausgezogen. Vollkommen nackt versuchte er nun, es zu einem Sack zu knoten, den er am vorstehenden Zacken eines der schützenden Felsen aufhängte. Dann kniete er sich in das Wasser vor dem Felsbrocken, holte tief Luft und verschwand mit dem Kopf unter der Oberfläche. Als er wieder auftauchte, warf er etwas, das wie ein Stein aussah, in den herabhängenden Sack. Das machte er wieder und wieder.
    »Aha«, sagte die Wache. »Er gräbt sich einen Tunnel.«
    Er lachte heiser über seinen Scherz, bis der Hauptmann kalt bemerkte: »Halt den Mund. Jetzt kannst du was lernen.«
    Die Wache hörte auf zu lachen. Gemeinsam überstandene Gefahren mögen die Bande der Disziplin etwas lockern, aber er und seine Kameraden wußten genau, wie weit sie gehen konnten.
    Schließlich stand der Grieche wieder aufrecht, schlang sich den Sack um den Hals, steckte beide Hände hinein und hob sie dann zur Felswand. Lange lehnte er sich dagegen, als würde er beten. Dann begann er wieder zu klettern.
    Die Wache

Weitere Kostenlose Bücher