Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
Vom Netzwerk:
Boden befand, auch nicht bei dem Gedanken an die blaue Leere, die sich ostwärts bis nach Holland ausdehnte (oder vielleicht auch bis Dänemark oder Norwegen – Erdkunde hatte sie öfter geschwänzt). Nein, es war die Tatsache, daß in westlicher Richtung so gut wie nichts zu sehen war. Mein Gott, wie viele irische Meilen war sie von einer Pizzabude entfernt? Einem Multiplex-Kino? Einem heißen Nachtclub? Oder auch nur einem anständigen Erlebnis-Pub?
    Die Leute waren ja wie verrückt aufs Landleben, wollten unbedingt hier draußen ihre Wochenenden verbringen – aber was
machten
sie hier bloß? Meer an sich war nicht so schlecht, wenn es richtiges Meer war, also mit Souvenirläden, Imbißbuden und Eisverkäufern. Auch ein paar Dünen in Reichweite waren nicht zu verachten, in die eine junge Frau einen jungen Mann mit Ringerfigur führen konnte, um ihm ein paar Griffe zu zeigen, die er beim Training nicht gelernt hatte …
    Aber abgesehen von einem großen Gebäude, wahrscheinlich Gunnery House, das eine halbe Meile in nordwestlicher Richtung lag, zeigte dieser Teil der Küste kaum Anzeichen menschlicher Besiedlung, bis hin zu den steil abfallenden Klippen. Möglicherweise drängelten sich ja unten am Strand die Eisverkäufer und jungen Ringer, aber sie zweifelte daran.
    »Was machst du da?«
    Die Stimme kam von unten, aber sie wäre auch zusammengefahren, wenn jemand sie aus irgendeiner anderen Richtung angesprochen hätte.
    Sie blickte hinunter.
    Vom Fuß des Baumes blickte der Balg der Pascoes herauf. Und die Töle des Balgs der Pascoes hob ihr Bein am Baum.
    »Ich schau mich nur um«, rief Novello.
    »Kannst du weit sehen?«
    »Unendlich weit.«
    »Unendlich weit«, echote das Kind in ehrfürchtigem Ton. »Ich möchte auch unendlich weit sehen.«
    Zu Novellos Entsetzen begann das Mädchen nach den unteren Zweigen des Baums zu greifen. Es gehörte nicht zu ihren Aufgaben, sich um Kinder zu kümmern, aber vor ihrem geistigen Auge erschien das Bild von Ellie Pascoe, die aus dem Cottage stürzte und ihre Tochter zerschmettert im Gras liegen sah, während sie hoch oben saß und schuldbewußt herunterschaute.
    Normalerweise fühlte sich Novello durchaus imstande, es mit der Pascoe oder jeder anderen Frau aufzunehmen, aber bei dieser Vorstellung verließ sie der Mut.
    »Bleib unten«, befahl sie, »ich komme runter.«
    Rasch kletterte sie herab, wobei sie sich athletisch von Ast zu Ast schwang. Die letzten beiden Meter sprang sie und landete leichtfüßig neben Rosie. All die Plackerei im Fitneßcenter lohnte sich letztendlich, wenn sie auch hauptsächlich dort hinging, um eine persönliche Vorschau auf das zu bekommen, was die Ringerabteilung zu bieten hatte.
    »Du kannst aber von hoch springen«, sagte Rosie Pascoe bewundernd. »Ich kann auch von hoch springen, aber nicht von so hoch, erst wenn ich größer bin. Aber ich kann gut klettern.«
    »Das glaube ich«, sagte Novello. »Aber nicht auf den Baum da, ja?«
    »Warum nicht auf den Baum?«
    Novello wollte schon sagen, es sei ein spezieller Beobachtungsbaum der Polizei. Aber dann rief sie sich ihre eigene Kindheit in Erinnerung und kam zu dem Schluß, dies würde erst recht die Neugier des Pascoe-Balgs wecken, das dann bei der ersten Gelegenheit den Baum hinaufklettern würde.
    In Gedanken blieb sie noch eine Weile bei ihrer Kindheit. Jede Menge Autoritätspersonen, aber die einzige, der sie aufs Wort gehorcht hatte, war ein großes Mädchen namens Tracy gewesen, die Anführerin ihrer Spielplatzbande. Sie erinnerte sich, mit welch gewinnenden Worten Tracy die Herzen anderer Kinder eroberte.
    »Weil ich es sage«, erklärte sie. »Und wer in meiner Bande nicht gehorcht, dem drück ich das Gesicht in einen Kuhfladen.«
    Rosie dachte eine Weile darüber nach und nickte dann.
    »In Ordnung«, sagte sie. »Wie heißt unsere Bande?«
    Eine Bande brauchte einen Namen. Novello überlegte einen Moment, dann schmunzelte sie: »Wir sind die
Rächerinnen der heiligen Uncumber.
Vergiß es nicht.«
    »In Ordnung«, sagte Rosie. »Was heißt das?«
    Kleine Mädchen brauchen immer eine Erklärung.
    Novello tischte ihr eine Geschichte über die heilige Uncumber auf, in der sie als eine Art Superheldin erschien, die gegen kleine Jungs kämpfte, ließ aber die blutigen Details ihres Endes aus. Das Kind sollte keine Alpträume bekommen, deren Ursache die Pascoe bis zu ihr zurückverfolgen konnte.
    Rosie hörte ihr mit großen Augen zu.
    Dann sagte das Mädchen begeistert: »Sollen

Weitere Kostenlose Bücher