Das Haus an der Klippe
Tischen für zwei, drei oder vier Gäste bestückt war, während am anderen Ende des Raums, wo das gewaltige Erkerfenster einen Blick auf die Hauptgeschäftsstraße bot, die große Tafel für Mitglieder stand, die ohne Begleitung erschienen.
Unter ihnen befand sich ein weißhaariger Mann, dessen Kopf auch auf einem Marmorsockel im Palast des Kaisers Augustus gepaßt hätte (ein keineswegs unangenehmer Aufenthaltsort, für den im Verlauf der Jahre viele gutes Geld bezahlt hätten).
Es war Eden Thackeray von der Kanzlei Thackeray, Amberson, Mellor, Huby und Thackeray, allgemein bekannt als Messers. Thackeray und Partner. Nun halb im Ruhestand, behauptete er bescheiden, er sei von der Pole-position als Seniorpartner auf den schlechten Startplatz zurückgefallen, den vormals sein Neffe Dunstan innegehabt hatte. Dieser war jetzt, dank seines Namens und nur allein deswegen, zum Leiter der Kanzlei aufgestiegen, aber niemand, der ihn kannte, bezweifelte auch nur einen Augenblick, daß Eden weiterhin die Fäden zog.
Im Lauf der Jahre hatten er und Dalziel sich oft bekämpft, gelegentlich einander geholfen und immer Spaß miteinander gehabt.
Der Dicke ließ sich neben Thackeray auf einen Stuhl plumpsen, der glücklicherweise wie alles andere im Club, einschließlich der Speisekarte, viktorianischen Vorstellungen verpflichtet war.
»Wie geht’s, Eden?« fragte er.
»Andy, mein lieber Junge. Man sieht dich hier viel zu selten.«
»Ach ja? Habt ihr ’ne Meinungsumfrage gemacht? Suppe, Steak und Bier vom Faß.«
Das war für den Kellner bestimmt, der die Bestellung bereits notiert hatte. Die Alternative, für die sich Dalziel nie entschied, wäre Suppe und gedünsteter Kabeljau gewesen. Man hatte einmal Anstalten gemacht, während der Sommermonate einen leichten Salat auf die Speisekarte zu setzen, aber die große Mehrheit hatte dieses Ansinnen abgelehnt.
Thackeray, der gerade mit seinem Hauptgericht fertig war, schob die Wahl der Nachspeise auf, bis Dalziel ihn eingeholt hatte. Als sie sich schließlich die letzten Löffel ihres traditionellen Puddings zu Gemüte führten, waren sie die einzigen verbliebenen Gäste an der großen Tafel.
»Kaffee und Whisky. Einen Park, einen Lag. Doppelte«, orderte Dalziel. »Wir nehmen ihn hier. Auf meine Rechnung.«
»Alles oder nur die Getränke, Sir?«
Der Dicke warf Thackeray einen prüfenden Blick zu.
»Alles«, erwiderte er.
Thackeray, der genußvoll an seinem Whisky nippte, sagte: »Du hast auf gut Glück investiert, Andy. Ich hoffe, das Risiko zahlt sich für dich aus.«
»Bei den Honoraren, die ihr Ganoven einsteckt, kann ich für einen Teller Essen und eine Träne Mundwasser nicht viel erwarten«, sagte Dalziel. »Erzähl mir mal was über die Nortrust Bank.«
»Aha. Da muß ich nachdenken. Hat das etwa mit den Gerüchten zu tun, die um Betrügereien im Zusammenhang mit der deliziösen Miss Cornelius kreisen?«
»Du kennst sie wohl gut?«
»Ich war schon einmal mit ihr in einem Raum.«
»Ich auch, nämlich vor Gericht«, sagte Dalziel.
»Dann weißt du, was ich meine.«
Die beiden tranken nachdenklich schweigend ihren Whisky.
»Angeblich«, begann Thackeray schließlich, »soll George Ollershaw nach dem Einstellungsgespräch mit Miss Cornelius zu seinen Kollegen gesagt haben:
Die Frau müssen wir haben. Am besten, ich zuerst
.«
»Schmieriger Typ«, fand Dalziel.
»Stimmt. Ich nehme an, die einzige Frau im Gremium war zutiefst empört und sprach sich deshalb gegen die Einstellung von Miss Cornelius aus.«
»Sie hat also nicht hundert Prozent Jastimmen erhalten.«
»Nein, es stand zwei zu zwei, so daß Ollershaws den Ausschlag gab. Natürlich konnte er den Vorwurf einer hormonellen Beeinflussung mit dem Hinweis entkräften, daß Miss Cornelius weit besser qualifiziert sei als die übrigen Bewerber. Mittlerweise hat sich natürlich herausgestellt, daß die Bank besser beraten gewesen wäre, eine Person einzustellen, deren körperliche Ausstrahlung nicht durch eine entsprechende Brillanz im High-Tech-Bereich ergänzt wird.«
»Wie? Ah, verstehe. Große Titten und kein Hirn, kann nicht zwei und zwei zusammenzählen, dafür bescheißt sie einen aber auch nicht.«
»Wie immer beseitigt deine
reductio ad vernaculum
alle Doppeldeutigkeiten«, bemerkte Thackeray.
»Das hat meine alte Mutter auch immer gesagt. Und ist einer von den geilen alten Bankern je über reines Wunschdenken hinausgekommen?«
»Wenn ja, dann waren sie außerordentlich diskret. Die
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