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Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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krummnahm.
    »Nein! Weil er überall rumgetrampelt ist und Griechen niedergemacht hat!«
    Äneas lachte, dann wurde er wieder ernst: »Tja, der arme Hektor. Mit seinem Tod starb unsere Hoffnung. Merkwürdig war es schon, als ich – neben vielen anderen merkwürdigen Dingen, die seit dem Debakel passiert sind – seiner Frau Andromache begegnete. Auf Epirus. Sie ist mit Helenos verheiratet – erinnerst du dich an ihn? Auch einer von Priamos’ Söhnen.«
    »Ja, klar. Ich habe den Kerl mal gefangen, und er geriet ins Phantasieren und erzählte mir, Troja sei dem Untergang geweiht. Ich dachte, entweder ist der Bursche wirklich oberschlau oder nicht ganz dicht, also habe ich ihn gegen ein Lösegeld rasch wieder freigelassen. Lebt er noch?«
    »O ja. Er hat ein nettes kleines Ding am Laufen. Hat eine Art Mini-Troja aufgezogen, das er Chaonia nennt.«
    »Ich habe ihn also richtig eingeschätzt. Schlauer Bursche! Hast du nicht daran gedacht, dich auch dort niederzulassen?«
    Äneas lächelte. »Nein, eigentlich nicht. Ich bin … anderswohin unterwegs. Aber ich habe dich unterbrochen. Schon seltsam, wie sich unsere Wege immer wieder kreuzen. Scylla und Charybdis, die Zyklopen …«
    »Ja. Aber ich wette, du hast nie den Gesang der Sirenen gehört«, meinte Odysseus selbstgefällig,
    »Nein, aber nach allem, was ich gehört habe, hat ihn auch noch kein Mann überlebt.«
    »Doch, wenn er seiner Mannschaft befiehlt, sich die Ohren mit Wachs zu verschließen und ihn an den Mast zu binden, so daß er nicht über Bord springen kann.«
    »Und das hast du getan? Erstaunlich. Du mußt wirklich süchtig sein nach neuen Erfahrungen, Odysseus. Und war es das wert? Ich kann mir nicht vorstellen, daß es einen Gesang gibt, der so süß ist, daß ein im Krieg gestählter Mann alles andere vergißt und wie von Sinnen daraufzustürzt.«
    »Nicht? Also, wenn ich nicht angebunden gewesen wäre, dann wäre ich hingestürzt, das kann ich dir sagen. Keine Frage.«
    »Wirklich? Wie hat sie sich denn angehört, diese unwiderstehliche Musik? Kannst du mir vielleicht eine Ahnung davon verschaffen?« erkundigte sich Äneas in leicht spöttischem Ton. »Werd’s versuchen. Paß auf. Es ging ungefähr so.«
    Und der Grieche holte tief Luft, warf den Kopf zurück und stieß einen schrecklich krächzenden, keuchenden, heiseren Schrei aus.
    Das Gebrüll erfüllte die Höhle, und bevor noch das Echo vollständig verhallt war, riß Achates am Eingang den Vorhang beiseite, und Wachmänner umringten den fetten Griechen mit grimmigen Gesichtern und gezückten Schwertern.
    »Siehst du?« meinte Odysseus zufrieden. »Ich habe dir doch gesagt, so etwas gibt es. Da kommen sie angerannt, jederzeit.«
    Einen Moment herrschte Stille, dann begann Äneas zu lachen, der Grieche stimmte ein, und nach kurzer Zeit konnten sich beide nicht mehr halten vor Heiterkeit.
    Der Fürst, unfähig zu sprechen, entließ seine Männer mit einer herrischen Handbewegung. Achates verharrte einen Moment im Eingang und blickte zurück, als wollte er etwas sagen. Dann schüttelte er den Kopf und ließ den Vorhang hinter sich fallen.
    Äneas füllte von neuem die Becher mit rotem Wein, und die beiden Männer nahmen einen tiefen Schluck.
    »Wenn das ein gutes Beispiel für ihren Gesang war, hört es sich für mich eher wie eine Einladung in den Hades als wie eine in die Gefilde der Seligen an«, sagte Äneas.
    »Hades? Ja, da war ich auch mal«, erinnerte sich Odysseus schaudernd. »Und ich bin nicht geneigt, darüber irgendwelche Witze zu reißen.«
    Der Fürst beugte sich vor und sah seinem Gegenüber tief in die Augen.
    »Ist das dein Ernst? Du bist zu dieser Reise angetreten und wieder zurückgekehrt? Ich habe immer geglaubt, niemand hätte das geschafft, außer Orpheus, der um seiner Liebe willen der Finsternis getrotzt hat.«
    »Ach, der«, meinte Odysseus verächtlich. »Da kenne ich die wahre Geschichte. Ziemlicher Beschiß dieses Getue um die große Liebe. Seine Frau war wohl eine von der eifersüchtigen Sorte, und als sie es spitzgekriegt hat, daß er seinen musikalischen Charme einsetzte, um ihn auch mal woanders wegzustecken, da versteckte sie ihm seine beste Leier. Dann wurde sie von einer Schlange gebissen, bevor er sie wiedergefunden hatte, und daher ist er dann hinter ihr her hinabgestiegen. Aber als er dann Pluto persönlich traf und seine Angetraute fand, dachte er, es wäre wohl das Beste, auf Mitleid zu machen, also tischte er ihm auf, daß er ohne sie nicht leben

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