Das Haus an der Klippe
einfach so stehen!
Kapitel 3
Wie die Speikspinne, die ihr unsichtbar schwebendes Netz über die duftenden Büsche spannt, welche am Saum der fauligen Sumpflande Asiens, ihrem Lebensraum, üppig wuchern, die goldenen Bienen, welche von den reich ausgeschwitzten Säften der blühenden Bäume angelockt werden, in lockeren Banden fängt, so daß sie, wenn sie auch nicht mehr wegfliegen können, doch noch die Möglichkeit haben, sich nach Herzenslust zu laben, bis die Zeit gekommen ist, wo die geduldige Arachne sie leersaugt, so bewirtete auch Äneas seinen Gast mit Wein und Süßspeisen, wohl wissend, daß dieser am Ende den Preis für den ungeheuren Betrug bezahlen würde, der Troja in den Untergang geführt hatte, nicht jedoch, bevor er alles aus ihm herausgesaugt hatte, was er über die unberechenbaren Gefahren in diesem gefährlichen Teil des Meeres wußte.
Doch wie unterschiedlich sie von Herkunft, Vorlieben und Temperament auch sein mögen, und wenn sie noch so viele Jahre gegeneinander gekämpft haben, sobald alte Soldaten am Lagerfeuer Erinnerungen an Schlachten, erduldete Leiden und überstandene Gefahren austauschen, knüpft sich jenseits aller Komplotte und Ränke ein anderes, unsichtbares Band zwischen ihnen.
»Du bist wirklich ein findiger Bursche«, sagte Äneas, nachdem Odysseus ihm erzählt hatte, wie er aus der Höhle des Polyphem entkommen war. »Und wenigstens in diesem Fall habe ich Grund, dir dankbar für deine Findigkeit zu sein, ohne die meine Flotte es vielleicht nie geschafft hätte, aus dem Land der Zyklopen wegzukommen.«
»Du bist auch mit den einäugigen Bastarden aneinandergeraten?« rief Odysseus aus. »Wann war das?«
»Ungefähr drei Monate nachdem du ihnen entkommen bist. Nein, sei nicht überrascht, daß ich das so genau weiß. Als wir dort an Land gingen, kam ein armer Teufel auf uns zugelaufen, warf sich uns zu Füßen und flehte um Gnade. Es war einer von deinen Leuten, der zurückgeblieben war, als ihr geflohen seid. So verzweifelt war er, daß er es vorzog, sich in die Hände der Trojaner zu begeben, um nicht von einem Zyklopen bei lebendigem Leib aufgefressen zu werden.«
»Achämenides! Willst du mir etwa weismachen, ihr habt Achämenides gerettet?«
»Ja, so hieß er. Für uns war es eine glückliche Begegnung. Er erzählte uns von deinen Abenteuern, so daß wir vorgewarnt waren und fliehen konnten, obwohl es uns trotzdem fast erwischt hätte.«
»Also, leck mich doch einer«, sagte Odysseus. »Hat Achämenides tatsächlich überlebt! Immer schon hat er behauptet, seiner Mutter wäre von den Göttern vorausgesagt worden, er sei für Großes ausersehen und würde wahrscheinlich eines Tages König werden! Nun, bei dieser verrückten Götterbande ist wirklich nichts unmöglich. Wo ist er denn jetzt? Zum Glück bin ich ihm draußen nicht begegnet, er hätte bestimmt gleich allen erzählt, wer ich bin.«
Äneas sah ein wenig verlegen vor sich hin und antwortete dann: »Offen gestanden, er ist nicht hier. Wir haben … ihm die Freiheit geschenkt.«
»Ihm die Freiheit geschenkt? Also, ihr habt ihn irgendwo abgesetzt und ihm gesagt: ›Hau ab, Junge, war nett, dich kennenzulernen?‹«
»Nicht ganz«, erwiderte Äneas. »Die Wahrheit ist, als wir in den schweren Sturm geraten sind, der uns schließlich an diesen ungastlichen Ort getrieben hat, und vor dem Wind davoneilten, der uns jeden Augenblick einzuholen und tief in den Rachen des Todes hinunterzustoßen drohte, da hatten einige meiner Männer, eigentlich die meisten, das Gefühl, daß jemand unter uns den Erderschütterer erzürnt haben mußte, und Achämenides, einer aus deiner Mannschaft, die den Polyphem, den Sohn des großen Poseidon, geblendet hatte, kam am ehesten in Betracht. Also haben wir ihn über das Wasser gehalten. Na, und dann, nach einer Weile, da haben wir … ihm die Freiheit geschenkt. Tut mir wirklich leid.«
Odysseus machte ein finsteres Gesicht, aber dann verzog er es zu einem breiten Lachen, das alle Zähne entblößte, und er sagte: »Also, Fürst, mach dir nichts draus. Ich an deiner Stelle hätte genauso gehandelt.«
»Einen trojanischen Gefangenen über Bord geworfen, willst du sagen?«
»Nein. Achämenides über Bord geworfen! Er war immer schon ein Taugenichts, und auf See war er eine echte Plage. Weißt du, wie wir ihn immer nannten? Hektor – nach deinem großen Schwager.«
»Weil der etwa ein Taugenichts war, meinst du?« fragte Äneas, der diese Bemerkung offensichtlich
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