Das Haus an der Klippe
trink ein Glas Limonade. Sind die für mich?«
»Ja, die Frau hat sie für mich und Nina gepflückt.«
Novello, die bis zur Tür gegangen war und hinausgesehen hatte, wandte sich um und fragte: »Nina? Wer ist Nina?«
Ellie, die die Wildblumen betrachtete, blickte auf und meinte, leicht spöttisch: »Rosies Freundin, die außer ihr niemand sehen kann.«
Novello schaute sie stirnrunzelnd an. Sie hat ein charaktervolles Gesicht, und wenn sie die Stirn runzelt, wirkt es noch beeindruckender, dachte Ellie widerwillig.
»Und die Frau, die die Blumen gepflückt hat? Hat die auch einen Namen?« fragte Novello.
Rosie überlegte einen Augenblick und meinte dann: »Also, sie hatte einen Schnurrbart, da habe ich gedacht, es könnte vielleicht die Frau sein, von der du mir erzählt hast. Camembert.«
»Camembert?« fragte Ellie verwundert.
»Wahrscheinlich meint sie Uncumber«, meinte Novello zögernd. »Das ist eine Heilige …«
»Ja, das weiß ich«, sagte Ellie argwöhnisch. »Wilgefortis. Ich frage mich nur, warum um alles in der Welt Sie Rosie solche Sachen erzählen. Ich hoffe, das war kein Bekehrungsversuch.«
»Hat sich so ergeben«, erwiderte Novello. »Und ich frage mich, woher Sie die eigentlich kennen?«
Ziemlich dreist, dachte Ellie.
»Als notorische Atheistin, meinen Sie? Also, meine Liebe, auch wenn ich keinem primitiven Aberglauben anhänge, kann ich doch immer noch ein paar von diesen albernen Legenden ganz unterhaltsam finden.«
Novello, offensichtlich verärgert und gekränkt, lief rot an, was Father Kerrigans Herz sicher erfreut hätte, bei Ellie jedoch Schuldgefühle weckte.
Vielleicht war es an der Zeit für einen Olivenzweig.
»Rosie, Schatz, die Frau, von der du gesprochen hast, die mit dem Schnurrbart, ist sie so wie Nina? Oder könnte Shirley sie auch sehen?«
Sieh mal an. Sie hatte ihren Vornamen gebraucht!
Das Mädchen sah Novello über den Rand ihres Limonadenglases hinweg abschätzig an, dann lächelte sie verschwörerisch, als wollte sie daran erinnern, daß sie derselben Bande angehörten.
»Vielleicht könnte sie das«, meinte sie. »Und Nina vielleicht auch.«
Die Polizistin, nun vollends verwirrt, blickte hilfesuchend auf Ellie.
»Wahrscheinlich, Mrs. Stonelady«, formten ihre Lippen unhörbar. Dann wandte sie sich wieder dem Sträußchen zu. Es bestand zum größten Teil aus Blumen, deren gelbe, von weißen Blütenblättern umstandene Köpfchen in dichten Trauben auf einzelnen Stengeln saßen.
»Wie hübsch«, rief sie aus. »Und wie passend. Schafgarbe. Ich glaube, das ist Schafgarbe.«
»Schafgarbe? Was ist das?« fragte Novello.
Ellie lächelte in das Sträußchen hinein. Es war nicht das komplizenhafte, verschwörerische Lächeln ihrer Tochter, sondern ein nach innen gekehrtes, verschwiegenes Lächeln.
»Ich pflücke die zarte Schafgarbe, auf daß meine Gestalt schöner, meine Lippen wärmer, meine Stimme fröhlicher werde; meine Stimme sei wie ein Sonnenstrahl, meine Lippen wie der Saft der Erdbeeren. Auf daß ich eine Insel im Meer, ein Berg auf dem Land, ein Stern, wenn der Mond schwindet, ein Stab für den Schwachen werde.«
Sie machte eine Pause und sah dann Novello voll in die Augen.
»Jeden Mann werde ich verwunden«, verkündete sie mit lauter, klarer Stimme. »Doch kein Mann wird mich verwunden.« Der Hund, der mit der Begeisterung eines Fußfetischisten an Novellos Turnschuhen geschnuppert hatte, hob ein Bein und pinkelte.
O mein Gott, dachte Novello. Gefangen in einem Cottage namens Nosebleed mit einer Bande bekloppter Nudistenweiber, die lyrische Anwandlungen haben, nicht zu vergessen das überdrehte Kind und den inkontinenten Hund.
Wollte dieser Tag kein Ende nehmen?
Acht
Die frohe Botschaft
P eter Pascoe öffnete die Haustür, nahm die Post von der Matte und ging ins Wohnzimmer.
Der Anrufbeantworter zeigte eine Nachricht an. Er drückte auf den Knopf, und während er darauf wartete, daß das Gerät ansprang, sortierte er die Briefe.
»Hallo, ich bin’s. Wollte nur Bescheid sagen, daß wir gut angekommen sind, bei Daphnes Fahrstil ein ziemliches Wunder. Die Hütte ist allerliebst, unser Haus ist dagegen die reinste Baracke, könntest du nicht auch Rosenzüchter werden? Rosie fühlt sich wie im Himmel, und sie hat einen Narren an Novello,
deinem
Wunderkind, gefressen, nicht so erstaunlich eigentlich, wenn man bedenkt, daß sie einiges gemeinsam haben, so etwa die Quietschstimme und den Mangel an gesellschaftlichem Schliff. War nur ein Spaß,
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