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Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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aufgespürt habt, ohne den das alles nicht passiert wäre«, meinte Äneas vorwurfsvoll.
    »Jetzt mach mal einen Punkt!« protestierte der Grieche. »Du sagst das, als wäre da etwas dabei gewesen. Nun, das war es keineswegs. Jeder Idiot hätte ihn finden können. Denk doch mal nach. Da hat er sich nun als Mädchen unter all den anderen Mädchen versteckt. Gute Idee, was? Nur daß er zwei Meter zehn groß ist und einen Riemen hat, so lang wie Ajax’ Speer! Weißt du, wie die Mädchen von Skyros ihn nannten, wenn sie unter sich waren? Der Stocksteife! Und damit meinten sie nicht seine Tanzkünste!«
     
    Ellie lachte laut über ihren eigenen Scherz, lehnte sich zurück und nippte an ihrer Limonade.
    Warum sie Schriftstellerin werden wolle, hatten Freunde sie gefragt, meistens, ohne wirklich eine Antwort hören zu wollen.
    Das war auch besser so, denn es gab so viele Antworten, unehrliche zumeist, und keine traf wirklich den Punkt.
    Zu den beliebtesten unter den »ernsthaften«, die im Angebot waren, gehörte die Behauptung, man versuche einen Sinn, eine Struktur in die offensichtlich sinn- und zusammenhanglose menschliche Erfahrung zu bringen.
    Aber Geschichten schreiben war auch eine Erweiterung der Erfahrung, wie sie gestern im Garten von Rosemont noch Daphne erklärt hatte, manchmal sogar ein Ersatz, und natürlich auch eine Flucht. Wie sie hier im Sonnenschein saß und über ihre eigenen Einfälle lachte, hatte sie das Gefühl, sie könnte die Frage beantworten, ohne zu Ausflüchten greifen zu müssen.
    Sie wollte Schriftstellerin sein, weil eine Schriftstellerin alles tun, überall hingehen, jede Frage beantworten konnte. Eine Welt voller Belohnungen und Vergnügungen, ähnlich der, die Faustus gelockt hatte. Hier lag ein Reich, das sich so weit erstreckte wie der Geist des Menschen. Mag sein, daß man dafür wie Faust mit seiner Seele bezahlte, oder zumindest mit dem Teil, der einen befähigte, in der realen Welt zu leben. Denn sie hatte bereits von dem süßen Gift gekostet und wußte daher, wer vom Wasser der Hippokrene getrunken hatte, der fühlte sich den Menschen und ihren Problemen, der Zeit und allen Sorgen, den Bäumen und dem grünen Gras mehr entrückt als der Opiumraucher oder der Kokainschnupfer, er fiel durch die Wolken, um sanft in einer selbstgeschaffenen Welt zu landen. Hier war sie eine Göttin, die durch ihren Paradiesgarten wandelte, und wenn von Zeit zu Zeit eines ihrer Geschöpfe Eigensinn an den Tag legte, nun, so gehörte auch das dazu.
    »Mrs. Pascoe …
Ellie!
Alles in Ordnung hier?«
    Plötzlich befand sie sich wieder im Garten von Nosebleed, und zwar dank einer rotgesichtigen und besorgt dreinblickenden Shirley Novello, die sie gerufen hatte.
    »Ja, natürlich ist alles in Ordnung. Sind Sie gerannt? Sie sollten wirklich vorsichtig sein bei dieser Hitze.«
    »Sie haben gesagt, Sie bleiben drin und halten alle Türen geschlossen«, meinte Novello vorwurfsvoll.
    »
Sie
haben mich angewiesen, die Türen geschlossen zu halten, und das habe ich auch getan«, sagte Ellie. »Was das Drinbleiben betrifft – an so einem Tag? Sie machen wohl Scherze!«
    »Ja, mir ist ausgesprochen spaßig zumute. Wo ist Rosie?«
    »Sie ist …«
    Nirgends.
    Die Vögel sangen immer noch, aber das Geplapper des Kindes, das in seinem eigenen parallelen Universum spielte, bildete nicht mehr die zweite Stimme dazu.
    Und nun verschwammen die Bäume und das grüne Gras vor Ellie Pascoe, und sie fiel aus den Wolken.
    »Rosie! Rosie!« rief Novello. »Wo bist du?
Rosie

    Stille. Der verzweifelte Ruf hatte sogar die Vögel zum Verstummen gebracht.
    Dann ertönte ein Bellen, dem einen Augenblick später Tig folgte. Und zu ihrer großen Erleichterung hörten sie irgendwo jenseits der hohen Gartenmauer auch die Stimme des Mädchens, »Auf Wiedersehen, auf Wiedersehen!«, und gleich darauf kam sie durch das Gartentor gerannt, in der Hand ein Sträußchen kleiner weißer Blumen.
    Eine Sekunde lang empfand Ellie tiefe Dankbarkeit gegenüber Novello, als wäre es allein ihren Rufen zu verdanken, daß Rosie zurückgekommen war. Doch beinahe im gleichen Augenblick schlug dieses Gefühl in ebenso heftigen Ärger darüber um, daß ihr die dumme Person mit ihrem plötzlichen Auftauchen und ihrer verstörenden Penetranz einen solchen Schrecken eingejagt hatte.
    Rosie profitierte von diesem Stimmungsumschwung. Anstatt sie für ihr Herumstreunen zu tadeln, sagte Ellie: »Hallo, Liebling. Bleib ein bißchen im Schatten. Komm und

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