Das Haus an der Klippe
schrillen Schrei, schüttelte den Toten ab, kam irgendwie auf die Knie und schluchzte: »Danke, danke, danke, Sie haben ihn umgebracht, ich glaube, Sie haben ihn umgebracht, danke!« Dann stürzte sie sich auf den Leichnam und schlug mit überzeugend gespielter Wut auf sein Gesicht ein.
Der Cojo fühlte den Puls des kleinen Ajax und ließ die schlaffe Hand angewidert fallen.
»Muerto«,
schnaubte er dem großen Ajax im Vorraum zu. Damit war dessen Aufmerksamkeit geweckt. Schließlich hörte man, wie der Hüne Kellys Körper auf den Boden plumpsen ließ. Als er jetzt den Raum wieder betrat, war er ungeschützt, aber die gute Schußlinie konnte nicht genutzt werden, weil Jorge sich ein Stück von Feenie entfernt hatte, um zu sehen, wieviel von seinem kostbaren Kokain verschüttet worden war.
Draußen plärrte zum drittenmal die Hupe. Diesmal dauerte es noch länger, bis sie wieder verstummte.
Ächzend vor Anstrengung, bückte sich der große Ajax, um den kleinen Ajax zu untersuchen. Im Grunde war es beinahe rührend. Vielleicht waren sie miteinander verwandt. Daphne setzte ihre posthume Attacke auf den Kopf des Toten fort. Ein weiterer Punkt für die Tochter des Archidiakons. Es schien nicht ratsam, diesen Körperteil des Toten zur Besichtigung freizugeben und so den beiden anderen Gelegenheit zu geben, die wahre Todesursache festzustellen. Aber der große Ajax hatte keinen Respekt vor Frauen, oder vielleicht wußte er etwas über die sexuellen Neigungen des kleinen Ajax, was die anderen nicht ahnten.
Er stieß Daphne beiseite und untersuchte Kopf und Hals seines Kameraden. Als er sich aufrichtete, wanderte sein Blick langsam durch den Raum, dann trat er ans Fenster und betrachtete das Einschußmuster in der Scheibe.
Er hat gemerkt, daß was faul ist, dachte Ellie, als sich der Hüne vom Fenster abwandte und mit den Augen noch einmal systematisch den Raum absuchte.
Oh, Scheiße! Er sucht die Knarre!
Jetzt hatte er seine eigene Waffe schußbereit, und als er auf Jorge zuging, ließ er die Anwesenden nicht aus den Augen.
Die beiden sprachen miteinander, das heißt, der große Ajax sprach, und Jorge hörte mit wachsendem Zorn zu.
Herzlichen Dank, Gott und Teufel! tobte Ellie innerlich. Hättet ihr euch nicht dies eine Mal raushalten und zulassen können, daß wir Sterbliche unser Schicksal selbst in die Hand nehmen?
In diesem Augenblick hörten sie, wie die Außentür aufging und Popeye rief: »Heilige Maria, Mutter Gottes!«
Er hat Kelly gesehen, dachte Ellie. Vielleicht stellt er sich auf unsere Seite, wenn er sieht, was Jorge ihr angetan hat. Sie schöpfte neue Hoffnung und machte einen Schritt, so daß sie sehen konnte, wie sich die beiden Neuankömmlinge über die blutbefleckte Gestalt am Boden beugten. Sie wechselten ein paar Worte, dann richtete sich Popeye zu ihrer Überraschung auf und trat in den Panoramaraum. Hinter ihm sah sie Luis mit seiner Baseballkappe, der sich immer noch über Kelly neigte. Er zog seinen Mantel aus und machte daraus ein Kissen für Kelly, dann legte er auch noch sein Hemd ab und hüllte sie damit ein. Dank dieser unerwarteten Fürsorge seitens des Cojo verwandelte sich ihre vage Hoffnung in gespannte Erregung. Wenn sie beide entsetzt darüber waren, was Jorge mit Kelly angestellt hatte, dann vielleicht …
Popeye sah schlimmer aus als eine ersoffene Ratte. Mit seinem Mantel, von dem das Wasser in Strömen rann, hätte er für das Gewitterwolkensymbol der Wettervorhersage Modell stehen können. Aber es sah nicht so aus, als würde er mit dem Donnerkeil dazwischenfahren.
Er grinste Jorge breit an und sagte: »Sieht aus, als hättest du deinen Spaß gehabt. Ich bin bloß naß geworden. Meine Güte, da draußen kann einer im Stehen ersaufen. Der Boden ist sumpfiger als in Connemara, ohne Scherz, und zu Luis dort sagte ich gerade, daß wir Probleme kriegen, wenn der Laster voll beladen ist.«
Ellies Hoffnung erstarb. Nicht einmal ein symbolischer Tadel wegen der Behandlung, die seine »Nichte« erfahren hatte! Diesem Scheißkerl ging es doch nur um seine verdammten Drogen.
Was hatte sie erwartet? Popeye war Realist. Jorge gab hier den Ton an, und mit diesem kleinen Psychopathen war das Ende vorprogrammiert. Sie hätte ihre Chance nutzen und abhauen sollen. Es war ein gutes Gefühl, loyal zu den anderen zu stehen, aber jetzt sah sie ein, daß sie gleichzeitig illoyal gegenüber Rosie und Peter war. Man mußte Prioritäten setzen, und nur weil die beiden wichtigsten Menschen in
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