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Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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sagte Daphne. »O Gott. Wie wär’s so?«
    Eines mußte man diesen Privatschulmädchen lassen: Wenn man sie einmal zum Mitmachen überredet hatte, gaben sie ihr Bestes.
    »Hervorragend. Aber überanstreng dich nicht. Ruh dich aus, bis der Vorhang hochgeht. Also aufgepaßt, meine Damen, das Drehbuch: Ich werde zur Tür hinausstürmen, schluchzen, jammern und ›Hilfe, Vergewaltigung!‹ brüllen. Ich vermute, daß sie unten im Keller sind. Ich werde großen Lärm veranstalten, damit sie mich kommen hören und mich nicht aus schierer Überraschung umlegen. Wenn alles gut geht, werden Jorge und der große Ajax hereinplatzen, um nachzusehen, was hier los ist. Sie werden denken, daß der kleine Ajax nach einer Prise Koks den Ehrgeiz entwickelt hat, uns alle zu bumsen. Jorge wird sich auf ihn stürzen, um ihn zu verdreschen, der große Ajax bleibt an der Tür stehen. Dann bläst ihm Wendy die Birne weg und Feenie bricht Jorge das Genick. Noch Fragen?«
    Von unten sagte Daphne: »Ich habe schon häufig bei Laienspielaufführungen mitgewirkt, und nach meiner Erfahrung geht, wie’s der Teufel will, oder vielleicht ist es auch Gottes Wille, immer etwas schief. Was machen wir dann?«
    »Improvisieren«, antwortete Ellie. »Sonst noch was?«
    »Ein Vorschlag«, sagte Feenie. »Normalerweise lehne ich Drogenmißbrauch in jeder Form ab, aber ich glaube, in dieser Situation wäre eine künstliche Stimulation unserer Wahrnehmung und Reaktion nicht verkehrt.«
    Sie bückte sich, tauchte einen Finger in das verschüttete Kokain, führte ihn an die Nase und schnupfte. Mit einer Handvoll Stoff machte sie dann die Runde, wie eine Priesterin unter ihren Gehilfinnen, und bot jeder davon an.
    Mrs. Stonelady schüttelte den Kopf, aber alle anderen bedienten sich.
    Ellie schnupfte ausgiebig.
    Es war gut. Sie fühlte sich gut.
    Sie sah an sich hinab. Sie sah gut aus.
    Ihre Brüste waren fest, ihre Brustwarzen aufgerichtet.
    »Jeden Mann werde ich verwunden«, sagte sie, »doch kein Mann wird mich verwunden.«
    Dann riß sie hysterisch kreischend die Tür auf und taumelte nach draußen.

Zwanzig
    Liberata liberata
    E s war, als fiele sie in ein schwarzes Loch.
    Anscheinend hatte sie sich an das Licht gewöhnt, das durch das große Fenster fiel, und ihre Augen angepaßt, als es sich bei Anbruch des Abends und des Sturms verdüsterte. Im Gegensatz dazu lag der Vorraum, durch den sie den Pavillon betreten hatte, im Dunkeln, und auch das graue Quadrat des Fensters in der Tür schaffte hier keine Abhilfe.
    In der Tür.
    Die Tür, die zur Außenwelt führte.
    Es wäre so leicht gewesen, sie zu öffnen und in die Nacht hinauszulaufen. Bei dem Sturm würden die Verfolger sie gewiß nicht finden. Ihr Gewissen konnte sie beruhigen, wenn sie noch einmal den Kopf in den Panoramaraum steckte und den anderen zurief, sich ihr anzuschließen. Was die beiden Verwundeten natürlich nicht konnten, ganz zu schweigen von Kelly Cornelius, die Jorge und dem großen Ajax ausgeliefert war.
    Seltsamerweise ging ihr dieses Für und Wider zwar durch den Kopf, aber sie erwog es nicht. Nicht eine Sekunde lang dachte sie ernsthaft an Flucht. Vielleicht war es das Kokain, vielleicht ihr Adrenalinspiegel, aber der einzige Grund, warum sie überhaupt darüber nachdachte, war, daß in ihrem Hirn, im Gegensatz zu der sie umgebenden Dunkelheit, eine Helligkeit herrschte wie mittags in den Tropen.
    Auch beanspruchten diese Gedanken keinerlei Zeit. Sie brauchte weder Hirn noch Augen anzustrengen, um festzustellen, daß im Vorraum und in der Küche niemand war, und dann stolperte sie ohne merkliche Verzögerung heulend und wehklagend in den Keller hinunter.
    Unten war Licht zu sehen, das Licht von Sturmlaternen, jenes Licht, das Horrorfilmregisseure für Kerkerszenen wählen, und der Horror, der sich hier abspielte, hätte die schauerlichsten Erwartungen erfüllt.
    Der niedrige Raum war voller Kisten und Kartons, die vermutlich die von Popeye an Chiquillo verkauften Waffen enthielten. Auf einer davon lag Kelly Cornelius, nackt, Gesicht und Körper blutbefleckt, während der große Ajax ihre Arme festhielt und Jorge vor ihr kniete und ihr den Lauf seiner Pistole zwischen die Beine gestoßen hatte.
    Nicht reagieren, sagte sich Ellie. Du stehst unter Schock, für jemand anderen hast du keine Gefühle mehr übrig, du stehst so sehr unter Schock, daß du sogar Bestien wie die da um Hilfe bittest.
    Jorge hatte die Pistole aus Kellys Körper gezogen und richtete die blutbefleckte

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