Das Haus an der Klippe
nahm es offenbar ernst.
»Ja. Schade. Aber jetzt bin ich ja da.«
»Dabei solltest du ganz woanders sein«, erklärte Daphne.
»Unterwegs nach Amsterdam. Um Himmels willen, ich bin nicht in Gefahr. Es war, wie ihr beiden Moralapostel unerbittlich wiederholt, meine eigene Dummheit, daß ich mich diesem Rohling in den Weg gestellt habe. Nachdem er ja nun dafür gesorgt hat, daß ich das nicht mehr tue, wird er wohl kaum noch Interesse an mir haben, oder?«
»Er könnte immer noch ein Interesse an Ellie haben«, erwiderte Aldermann. »jedenfalls scheint Peter das zu denken, was ich der Anwesenheit des jungen Mannes entnehme, der dort hinter der
Zéphirine Drouhin
hervorlugt.«
Ellie folgte seinem Blick durch den Garten bis zu einer zweieinhalb Meter hohen, mit karminroten Blüten bedeckten Säule, hinter der sich die Gestalt von Constable Bowler abzeichnete.
»Soll ich ihn fragen, ob er auch einen Kaffee will?« sagte Daphne.
»Nein!« rief Ellie verärgert. »Ich sag ihm, er soll sich verpissen.«
»Laß ihn doch«, meinte Aldermann. »Er richtet dort keinen Schaden an und wird auch keinen nehmen. Die
Zéphirine
hat einen wundervollen Duft und keine Dornen. Also worum geht’s denn, nach Peters Ansicht, Ellie?«
»Ich darf keine Details preisgeben«, sagte Ellie artig. »Abgesehen davon, daß er glaubt, die Gefahr sei wohl vorüber. Mein Aufseher dort drüben im Rosenbusch dient wahrscheinlich eher zu Peters Beruhigung als zu meinem Schutz.«
»Genau deswegen bist du jetzt immer noch hier, Patrick«, sagte Daphne. »Typisch männliches Kontrollverhalten.
Eure
Gefühle verkleidet ihr als
unsere
Schwächen.«
»Bravo«, lachte Ellie. »Du hast ja eins von den Büchern gelesen, die ich dir geliehen habe.«
»Red keinen Quatsch. Du denkst manchmal, du hättest den weiblichen Scharfblick erfunden, so wie Teenager glauben, daß sie den Sex erfunden haben. Das gibt’s aber alles schon eine Weile länger als Germaine Greer – falls das überhaupt möglich ist. Ellie, hilf mir doch mal, ihm begreiflich zu machen, daß ich durchaus alleine zu Hause klarkommen kann, auch wenn ich eins auf die Nase bekommen habe.«
»Also«, sagte Ellie. »Ich verstehe, daß du dir Sorgen machst, Patrick. Offen gestanden weiß ich gar nicht, wie du es aushältst, eine derart sture und unberechenbare Person auch nur einen Moment aus den Augen zu lassen. Aber gibt es da nicht eine einfache Lösung? Nimm sie doch mit zu deiner Tagung.«
»Oh, das hat er schon versucht«, sagte Daphne. »Und ich wäre sogar mitgekommen, wenn es nicht ausgerechnet nach Holland ginge! Ich fühle mich da immer so niedergeschlagen, psychisch und geographisch. Nur Fische und Krustentiere sind dafür geschaffen, unter dem Meeresspiegel zu leben. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, daß mich nur eine Handbreit davor schützt, von einer Flutwelle der Nordsee verschlungen zu werden. Aber warte. Da kommt mir eine Idee. Es gibt noch Plan B. Ich soll einen sicheren Ort aufsuchen, und zwar in Gesellschaft eines verläßlichen Menschen. Patricks Wunschkandidat ist mein Vetter Joyce in Harrogate. Allerdings würde ich die Nordsee der Gesellschaft meines Vetters Joyce in Harrogate vorziehen. Aber du Ellie, du wärst ein verläßlicher Mensch, dessen Gesellschaft ich ertragen
könnte,
eine Weile wenigstens. Was den sicheren Ort betrifft, so verlassen David und seine Kumpels heute die komfortable Hütte, um ihren Charakter im Zeltlager in den Trossachs zu stärken. Warum fahren wir nicht einfach für ein paar Tage dorthin, Rosie nehmen wir natürlich mit, und lösen die Probleme unserer Ehemänner, indem wir gegenseitig aufeinander aufpassen?«
So, dachte Ellie, mußte sich Marie Antoinette angehört haben, als sie ihren bekannten Vorschlag zur Behebung des Brotmangels vorbrachte. Und vermutlich hat sie auch so ausgesehen, abgesehen von der bepflasterten Nase; aber wahrscheinlich hatte sie dasselbe Leuchten in den Augen, dasselbe verzückte Lächeln, und verströmte jene Art von Frohlocken, bei dem es den weitsichtigeren französischen Höflingen bestimmt ein wenig warm unter dem Kragen wurde.
Ellie überließ es Patrick, Daphne auf den kapitalen Denkfehler in diesem Vorschlag hinzuweisen, nämlich, daß man sich nach einem Wespenstich nicht in Sicherheit bringt, indem man mit dem Marmeladenglas wegläuft. Als er nichts antwortete, schob sie das auf die Zurückhaltung des Ehegatten, der nicht gerne den ersten Stein wirft, und sagte: »Keine schlechte Idee, Daph,
Weitere Kostenlose Bücher