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Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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zum
Black Bull.

Siebzehn
    Der Saft der Erdbeeren
    R osemont war ein Haus für alle Jahreszeiten, doch im Hochsommer glichen seine ausgedehnten Gärten einer grünen Leinwand, auf die der Künstler das Paradies mit einer Palette in allen Farben gemalt hat, die die Rose zu bieten hat. Angefangen mit dem reinen Weiß der
Iceberg
und der
Virgo
über den zartrosa Schimmer von
Félicité
,
Perpétué
und
Escapade
zum hellen Rosa der
Dandy Dick,
dem Blaßlila der
Yesterday
und dem Lachsrot der
Evensong,
fanden sich immer dunklere Farbtöne bis zum rötlichen Glanz von
Perfecta,
dem hellen Feuer von
Wilhelm,
der Farbe getrockneten Blutes von
Kassel,
dem samtenen Burgunderrot von
Roseraie de l’Hay,
bis hin zum düster mitternächtlichen Purpur der Gewänder der
Cardinal de Richelieu.
    Wer sich einfach dem sinnlichen Genuß hingab, der konnte stundenlang über diesen Ozean aus Farben und Gerüchen kreuzen, ohne sich in seiner Unwissenheit darum zu kümmern, ob ihn sein Schicksal zu
Sweet Repose
und
Penelope
oder
Clytemnestra
und
Crimson Shower
führte. Als Ellies Wagen aus dem Tunnel auftauchte, den die überhängenden Zweige der Stechpalmen bildeten, die neben dem Haupttor Wache standen, sang ihr Herz, als würde sie in ein neues, goldenes Land eindringen. Obwohl sie natürlich wußte, daß es nicht wahr war, kam es ihr doch so vor, als würde über Rosemont immer die Sonne scheinen, wie sie offenbar auch immer über dem Leben seines Besitzers, Patrick Aldermann, geschienen hatte.
    Ellie verstand nicht viel von Rosen, doch die langstieligen, wohlriechenden, tiefgoldenen Blüten mit scharlachroten Kelchen, welche die Ehre hatten, die Beete an der Eingangstür zu schmücken, kannte sie gut. Sie waren Patricks eigene Züchtung, und er hatte sie nach seiner Frau benannt, die auch dort an der Türschwelle stand, als Ellie vorfuhr.
    Heute jedoch war die Ähnlichkeit zwischen den Blüten und ihrer Namensgeberin nicht so deutlich zu sehen wie sonst, obwohl sich wahrscheinlich auch ein scharlachroter Schimmer unter der weißen Gaze verbarg, die über ihre Nase gepflastert war.
    »Ellie, wie schön, dich zu sehen«, sagte Daphne. »Ich hatte gehofft, daß du kommst.«
    »Soll das heißen, daß du schon den ganzen Morgen hier an der Tür stehst und auf gut Glück Ausschau hältst?«
    »Red keinen Blödsinn. Deine Schrottmühle macht einen solchen Lärm, das hört man fünf Meilen weit. Vorsicht!«
    Letzteres bezog sich auf einen Kuß, den Ellie ihr gerade auf die Wange drücken wollte.
    »Keine Bange. Die Gefahrenzone ist ziemlich gut ausgeschildert. Wie geht es dir? Ich hätte dir ein paar Blumen mitgebracht, aber du kennst ja die Geschichte mit den Eulen und Athen.«
    »Belgische Pralinen und exotische Früchte sind dir wohl nicht in den Sinn gekommen? Laß uns draußen sitzen. Patrick macht gerade Kaffee, oder bist du inzwischen dem Alkohol so weit verfallen, daß du einen Schnaps vorziehst?«
    »Kaffee wär prima. Patrick …? Ich dachte, er ist unterwegs nach Amsterdam oder so?«
    »Sollte er auch, aber er kehrt den starken Mann heraus und behauptet, er könne unter diesen Umständen auf keinen Fall fahren. Ich bearbeite ihn noch.«
    Sie saßen an einem hübschen runden Tischchen aus verschnörkeltem Schmiedeeisen. Die Stühle schienen aus demselben Material zu sein, doch sie erwiesen sich als angenehm weich und sehr bequem. Patrick Aldermann war nicht der Mann, der sich seine Behaglichkeit in irgendeiner Weise beeinträchtigen ließ.
    »Also, wie geht’s dir heute?« fragte Daphne.
    »Bringst du da nicht deinen Text durcheinander? Du bist es doch, die eine Boxernase abgekriegt hat, schon vergessen?«
    »Weil ich zufällig im Weg stand, nicht weil mich jemand verfolgt«, erwiderte Daphne streng. »Um dich geht es hier, Ellie.«
    Das gehört zu den Dingen, die Daphne so einzigartig machen, dachte Ellie. Nach einem derart handfesten Vorsingen hätten nur wenige der Versuchung widerstehen können, sich als Primadonna in einer fremden Oper aufzuspielen, wenn auch nur für ein paar Szenen.
    »Ich könnte auf diese Ehre gut verzichten«, meinte Ellie finster. »Egal, ich bin gekommen, um dir zu sagen, daß es mir leid tut. Und es tut mir auch wirklich leid.«
    »Es war nicht deine Schuld, meine Liebe. Nicht im geringsten. Es sei denn, du verschweigst mir etwas.«
    »Red keinen Blödsinn. Warum sagst du so etwas?«
    »Na, weil du in deiner weichherzigen Liberalität und als Produkt unseres staatlichen Schulsystems mit seinem

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