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Das Haus an der Klippe

Das Haus an der Klippe

Titel: Das Haus an der Klippe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Laß-es-ruhig-raushängen-Credo in der Kunst der gesellschaftlichen Heuchelei wenig bewandert bist. Wo jucken dich die Läuse? Ich meine das natürlich als gärtnerische Metapher.«
    »Nirgends. Das heißt, überall eigentlich. Ach, was für ein Mist. Es ist wirklich zu dumm, aber ich habe das Gefühl, daß alles meine Schuld ist. Irgendwie jedenfalls.«
    »Das nenne ich eine knappe, prägnante Antwort«, murmelte Daphne. »Vielleicht könntest du trotzdem ein wenig weiter ausholen.«
    »Bevor Rosie so krank wurde, da war ich, na ja, in einem gewissen Stimmungstief. Habe gegrübelt. Mir mein Leben angeschaut und mich gefragt, was dabei herausgekommen ist. Ich weiß schon, wenn man bedenkt, was ich alles habe, ein schönes Haus, für meinen plebejischen Geschmack jedenfalls, einen netten Ehemann, guten Sex, ein liebenswertes Kind, einen Kühlschrank voller exotischer Fressalien samt australischem Chardonnay, einen exquisiten Freundeskreis, wenn man von anwesenden Personen absieht, also, dann geht es mir gut. Und ich kann auch nicht darüber jammern, daß ich meine Karriere aufgegeben habe, ich könnte jederzeit irgendwo irgendeine Dozentenstelle bekommen, und wenn ich wirklich wollte, dann könnte ich sogar wieder ganztags anfangen, Peter würde alles tun, um mich zu unterstützen. Ich habe darüber nachgedacht und bin zu dem Schluß gekommen, daß ich darauf keine Lust hatte, nicht einmal, wenn man mir ein fürstliches Gehalt angeboten hätte. Also, keine Klagen diesbezüglich.«
    »Ellie, meine Liebe, ich hoffe, du willst nicht darauf hinaus, daß du den Milchmann verführt hast?« fragte Daphne.
    »Unser Milchmann ist eine Milchfrau, die Gerüchten zufolge damit ausgelastet ist, die Phantasien vom geilen Knappen und dem jungen Milchmädchen zu befriedigen, die den lustigen Witwer aus Nummer siebzehn umtreiben. Nein, ich habe mir schon die Hörner abgestoßen, oder zumindest beinahe, vor ein paar Jahren. Aber das war in einem anderen Land, und nebenbei bemerkt, der Junge lebt nicht mehr. Das war einmal, und ich habe keine Lust, noch mal so etwas anzufangen. Ich liebe Peter, und wenn er nicht absolut fertig ist, weil er irgendwelchen halbverrückten Schurken hinterhergelaufen ist, dann bringt er für mich die Erde zum Beben und läßt die Geigen im Himmel erklingen, so, wie wir das früher in Groschenromanen gelesen haben.«
    »Unsere Bildungswege scheinen sich doch hier und da gekreuzt zu haben«, sagte Daphne. »Also Sex, Liebe, Mutterschaft und ein angenehmes Leben, wie man es sich nur wünschen kann. Wo liegt dann dein Problem, meine Liebe?«
    »Ich habe das Gefühl, daß ich nichts zustande gebracht habe«, sagte Ellie hilflos. »Nichts, das wirklich wichtig wäre.«
    »Also hör mal! Als ich dich kennengelernt habe, hast du ein Spruchband geschwenkt und Parolen skandiert, und das mit einer Kindertrage auf dem Rücken. Jahrelang warst du die Kate Adie der Demonstrationen, ohne dich konnte es nicht losgehen.«
    »O ja, ich bin marschiert, habe Reden gehalten, Briefe geschrieben und mich an Streiks beteiligt, das alles habe ich gemacht. Aber nie wurde auf mich geschossen, nie bin ich geschlagen oder gefoltert worden wie die Leute, für die ich demonstriert habe. Ich mußte noch nicht einmal hungern, wenn ich streikte, wie die Leute, in deren Streikposten ich mich eingereiht habe. Aber ich meine nicht nur solchen Sozialgewissenskram. Ich war nie im Ausland, ich habe mich nie auf der Goldenen Straße nach Samarkand durchgeschlagen. Ich bin nie einhändig um die Welt gesegelt, und ich war nie in nächster Nähe dabei, wenn etwas Interessantes passiert ist, etwa ein Erdbeben oder eine Revolution oder eine Schlägerei, in die ein Filmstar in einem Restaurant verwickelt wird. Ich lese manchmal die Autoren-Waschzettel auf den Umschlagklappen, und dann denke ich, falls jemals ein Wunder geschieht und ich gedruckt werde, dann müssen sie da ein weißes Feld lassen!«
    »Alle Achtung«, meinte Daphne. »Hast du vielleicht deshalb angefangen zu schreiben? Ich meine natürlich nicht, um deinen Waschzettel zu füllen. Oder vielleicht doch.«
    Lachend erwiderte Ellie: »Egal, was dein Therapeut über dich sagt, du bist sehr scharfsinnig. Ja, wahrscheinlich. Auch eine Methode, sich ein richtiges Leben zu verschaffen, oder? Eigentlich unendlich viele Leben. Und wenn es klappt, dann ist man Ellie Pascoe, die Schriftstellerin, anstatt nur Ellie Pascoe, die Frau des Polizisten. Aber da ist mehr dran, glaube ich. Hoffe ich. Egal,

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