Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
gutem Grund. Mister Hensen ist nämlich nicht befugt, Verträge mit mir abzuschließen.«
»Aber das ist … das ist doch üble Nachrede, das ist …«
»Lieber Mister Hensen, hiermit fordere ich Sie in aller Form auf, mein Haus schnellstens zu verlassen!«
»Sie werden noch von mir hören«, keifte Jakob Hensen und drohte mit der Faust, bevor er sich umwandte und in Richtung Haus verschwand.
Mir wurde so schwindlig, dass ich mich unter den Mahoe-Baum in den Schatten hockte und die Hände vors Gesicht schlug. Ich war völlig verwirrt. Was hatte das alles zu bedeuten? Wieso rettete mich Mister Sullivan vor Jakob Hensen? Was wusste er? Was glaubte er, wer ich wirklich war? Ich war mir sicher, dass es in Frederiksted niemals eine Familie Brodersen gegeben hatte. Meine Gedanken zogen wilde Bahnen durch meinen armen Kopf, der schier zerplatzen wollte vor Schmerz.
»Hanne Hensen, du fragst dich bestimmt, warum ich das getan habe, nicht wahr?«, hörte ich Mister Sullivan nach einer halben Ewigkeit wie durch eine Nebelwand raunen.
Er hatte recht. Ich hatte keine Ahnung, warum er mir aus der Klemme half und mich als seine Verlobte ausgab. Nur eines war mir sonnenklar: Es hatte wenig Sinn zu leugnen, wer ich war.
»Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass mein Name Hanne Hensen ist?« Meine Stimme bebte.
»Sie sind keine besonders gute Schauspielerin, Hanne. Ihr Verhalten beim Dinner war so auffällig, dass man zwangsläufig stutzig werden musste. Und als dieser Hauke Jessen auftauchte, brauchte man keinerlei großartige Phantasie, um zu begreifen, dass Sie beide sich kennen. Er war übrigens nicht besser als Sie. Der Schreck des Erkennens war deutlich in seinem Blick zu lesen. Außerdem habe ich die ganze Zeit hinter dem Baum dort drüben gestanden und Ihrem Gespräch mit Mister Hensen gelauscht.«
Ich senkte den Kopf und fixierte meine Schuhspitzen. Nein, es hatte keinen Zweck zu leugnen. »Und was werden Sie jetzt tun?«, erkundigte ich mich zögernd.
»Genau das, was ich Ihrem … wenn ich es richtig verstanden habe, ist der Mann Ihr Schwager … also, ich werde das tun, was ich Ihrem Schwager soeben gesagt habe.«
Ich öffnete den Mund, aber ich brachte keinen Laut hervor. Allein der Gedanke – er wollte mich wirklich heiraten? Das war völlig absurd. Plötzlich zog an meinem inneren Auge die ganze Geschichte mit Pit vorbei. Wie meine Eltern mir die Ehe mit ihm nahegelegt hatten, wie ich mich gesträubt und versucht hatte, mit Hauke zu fliehen, und wie ich dann doch vor den Traualtar getreten war mit einem Mann, den ich im Leben nicht hatte heiraten wollen. Es konnte nicht sein, dass mir das ein zweites Mal widerfuhr.
Ich hob den Kopf und musterte Mister Sullivan. Er sah gut aus. Daran gab es keinen Zweifel, aber er war ein Sklavenhalter. Niemals würde ich …
»Sie schauen mich an, als müssten Sie lange überlegen, ob Sie meine Frau werden wollen. Zerbrechen Sie sich bloß nicht vergeblich Ihr hübsches Köpfchen. Ich kann Ihnen die Entscheidung abnehmen: Sie haben nämlich keine eine andere Wahl!«
»Aber ich bin nicht Ihre Sklavin!«, stieß ich zornig hervor.
»Nein, aber Ihr Schicksal liegt in meiner Hand. Ich nehme zurück, was ich eben sagte. Sie haben eine Wahl: Entweder heiraten Sie mich und schenken mir endlich einen Sohn …«
»Sie sind nicht ganz bei Trost!«, unterbrach ich ihn wütend.
Ein Lächeln umspielte Mister Sullivans Lippen. »Ich mag Ihr Temperament. Ich habe meine Frau wirklich geliebt. Sie war eine echte englische Lady, aber Sie sind eine nordische Wildkatze. Und ich dachte immer, die Dänen seien so kühl …«
»Mein Vater war Deutscher«, widersprach ich heftig.
»Egal, ich habe nicht gewusst, was für ein Feuer in so einem Kind der Ostsee lodern kann.«
»Worauf wollen Sie hinaus? Soll das ein Kompliment werden? Ich mochte Ihre Frau. Sie hatte ein gutes Herz. Das habe ich selbst von ferne gesehen.«
»Ich sagte ja gerade, dass ich sie geliebt habe. Ja, ich konnte mir nicht vorstellen, mich jemals wieder zu verlieben. Bis ich Sie das erste Mal sah …« Sein Blick bekam etwas Weiches und Zärtliches.
Mir wurde schummrig bei dem Gedanken, dass dieser Mann mir offenbar ehrliche Gefühle entgegenbrachte.
»Aber … das heißt noch lange nicht, dass ich Ihre Gefühle erwidere«, bemerkte ich entschieden. »Und deshalb können Sie nicht erwarten, dass ich Sie jemals heirate.«
Sein Gesicht verlor jeglichen weichen Ausdruck. Im Gegenteil, er hatte nun etwas
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