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Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)

Titel: Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ava Bennett
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hatte Mister Sullivan das Zimmer verlassen. Ich hörte nur noch das Geräusch eines Schlüssels, der herumgedreht wurde.
    Er überlässt wirklich nichts dem Zufall, dachte ich und ließ mich erschöpft auf mein Bett fallen. Was hatte ich denn überhaupt für eine Wahl? Niemals würde ich mich sehenden Auges in die Obhut meines Schwagers begeben. Wenn es nach meinem Stolz ginge, hätte ich natürlich heroisch sagen müssen: Liefern Sie mich aus, mein Herr! Doch dann wäre alles umsonst gewesen, und man würde meine Schwester aus ihrem Haus verjagen! Mein Neffe hätte keine Zukunft, wo er nun schon Halbwaise geworden war …
    Nein, es gab nur zwei Möglichkeiten. Entweder ich schaffte es, diesem Erpresser zu entfliehen, oder ich heiratete ihn.
    Ich erhob mich vom Bett und schlich mich zur Tür. Sie war verschlossen. Ich rüttelte an der Klinke und rief wütend: »Hallo, hört mich jemand?«
    Ich erschrak, als tatsächlich aufgeschlossen wurde. Und noch mehr, als Jeremiah vor mir stand wie ein Höllenhund.
    »Sind Sie etwa mein Aufpasser?«, fragte ich aufgebracht.
    »Ich darf Sie nicht aus dem Zimmer lassen«, erwiderte er beinahe entschuldigend. Täuschte ich mich, oder war er mit dem Auftrag seines neuen Herrn nicht ganz einverstanden?
    »Wollen Sie mich vielleicht zu den Waschräumen begleiten?«
    »Keine Sorge, ich warte vor der Tür.«
    Schweigend folgte er mir bis zu den Toilettenhütten, die sich außerhalb des Hauses befanden. Ich verschwand im Inneren, wenngleich ich keine Hoffnung hegte, meinem Wächter zu entkommen. Es gab keine Fenster und Türen, durch die ich ungesehen flüchten konnte.
    Missmutig trat ich wenig später ins Freie zurück. Jeremiah musterte mich beinahe mitleidig. »Was haben Sie getan, dass Mister Sullivan Sie bewachen lässt?«
    »Er will mich zwingen, seine Frau zu werden«, knurrte ich.
    »Aber Sie sind weiß. Sie gehören ihm doch nicht«, empörte sich Jeremiah. »Es ist schlimm genug, dass sie es mit meinen Leuten machen, diese Verbrecher!« Ich sah erstaunt zu, wie er die Fäuste ballte und sein Kiefer zu mahlen begann. Vielleicht war das meine Chance. Jeremiah schien einen Hass auf Sklavenhalter zu haben.
    »Er stellt mich vor die Wahl: ihn zu heiraten oder mich meiner Familie auszuliefern, die danach trachtet, mich in meiner fernen Heimat ins Gefängnis werfen zu lassen.«
    »Was haben Sie verbrochen?«
    »Ich bin das Opfer einer Intrige.« Ich kämpfte mit mir, ob ich ihm meine ganze Geschichte erzählen sollte, so, wie ich es vorhin bei Mister Sullivan getan hatte. Den Gedanken verwarf ich allerdings. Meine Aufrichtigkeit hatte mir schließlich nichts gebracht.
    Ich stieß einen tiefen Seufzer aus. »Helfen Sie mir! Bitte! Lassen Sie mich gehen!«
    Er sah mich lange und intensiv an. Aus seinen Augen sprach eine merkwürdige Mischung aus Sanftmut und unterdrücktem Zorn. Ich spürte sofort, dass der aber nicht mir galt, sondern Mister Sullivan.
    »Bitte, Jeremiah«, flehte ich ihn an.
    »Aber wo wollen Sie hin?«
    Ich zuckte die Achseln. »In die Berge vielleicht, denn nach Christiansted kann ich auch nicht. Dort lebt mein habgieriger Schwager …« Ich stockte. »Sie sprechen ein völlig anderes Englisch als die Sklaven auf der Plantage«, rutschte es mir heraus. An seiner versteinerten Miene erkannte ich, dass ich diese Bemerkung lieber hätte runterschlucken sollen. Jetzt stand sie zwischen uns.
    »Das liegt daran, dass ich kein Sklave bin. Nicht mehr jedenfalls! Und daran, dass mein weißer Vater mir heimlich Unterricht gegeben hat. Aber sprechen wir lieber über Sie! Sie können nicht allein in die Berge. Das ist viel zu gefährlich.«
    Das hatte ich heute schon einmal gehört, aber ich vermutete, dass Jeremiah in der Wildnis andere Gefahren sah als Mister Sullivan.
    »Schlagen Sie sich zum Hafen durch, und fragen Sie nach der Sea Cloud. Das ist eine Bark, die Sie nach Jamaika bringen wird. Dort sind Sie in Sicherheit, jedenfalls als schöne weiße Lady. Der Kapitän ist ein Freund von mir. Will Brown heißt er. Bestellen Sie ihm einen Gruß von Jeremiah. Dann nimmt er Sie mit, ob Sie die Passage bezahlen können oder nicht.«
    »Das wäre ja großartig«, brachte ich gerührt hervor. Ich verbiss mir die Tränen bei dem Gedanken, wie selbstlos mir Jeremiah half. Ganz im Gegensatz zu seinem Herrn.
    »Dann beeilen Sie sich«, seufzte der Butler.
    »Sie sind ein Schatz«, hauchte ich und gab ihm überschwänglich einen Kuss auf die Wange. Er schien überrascht, nahm mein

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