Das Haus an der Montego Bay: Roman (German Edition)
Herrisches in seinem Blick.
»Wie ich bereits sagte. Die Entscheidung liegt natürlich bei Ihnen, doch damit Sie diese mit Bedacht treffen, muss ich Ihnen die beiden Möglichkeiten, die Sie haben, vor Augen führen: Sie heiraten mich, und ich beschütze sie vor der Familie Hensen, oder ich werfe Sie ihnen zum Fraß vor.«
Mir wich sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Der Mann machte mir Angst. Ich spürte die zwei Seelen in seiner Brust. Er besaß zwar ein Herz, das er aber mit einer Härte verschließen konnte, die an Grausamkeit grenzte. Ich hatte keinen Zweifel, dass er mich, wenn ich mich seinem Willen nicht beugte, eigenhändig nach Christiansted zu meinem Schwager bringen würde.
Ich musste auf andere Weise versuchen, sein Vertrauen zu gewinnen. Mit Trotz würde ich bei ihm nicht weiterkommen.
»Wollen Sie gar nicht wissen, was wirklich geschehen ist, und vor allem, was mit mir passieren wird, wenn Sie mich an meinen Schwager ausliefern?«
»Das interessiert mich brennend. Ich bin ganz Ohr.«
Ich räusperte mich, bevor ich ihm die ganze schreckliche Geschichte erzählte, ohne etwas zu beschönigen. Meine Hoffnung war, dass sein Mitgefühl geweckt würde und er mir letztendlich bedingungslos helfen würde, nachdem er die Wahrheit kannte.
Mister Sullivan schwieg eine ganze Weile. Er schien zu grübeln. »Was würde Hensen mit Ihnen anstellen, wenn er Sie in die Hände bekäme?«, fragte er schließlich.
»Er würde mich auf ein Schiff verfrachten, mir einen Aufpasser mitgeben und dafür sorgen, dass ich zu Hause vor ein Gericht gestellt würde. Weil die Beweise für die Schuld meines Schwagers, seines Sohnes und deren Erfüllungsgehilfen Hauke Jessen mit Heinrich in ihrem feuchten Grab auf dem Meeresgrund liegen, wird man mich verurteilen. Und mein Anteil an dem Unternehmen, das jetzt von meiner Schwester verwaltet wird, würde in ihre gierigen Finger fallen.«
»Eine grausame Vorstellung«, murmelte er.
»Genau! Es wäre nicht auszudenken, wenn der mörderische Plan dieser Verbrecher doch noch aufginge!«
»Nein, das wäre in der Tat fatal.«
»Heißt das, Sie glauben mir?«
Mister Sullivan lächelte. »Ich kann mir kaum vorstellen, warum sich eine junge schöne Frau aus reichem Hause wohl auf dieser Insel verstecken sollte, wenn sie keinen triftigen Grund dazu hätte«, bemerkte er ausweichend.
Das missfiel mir außerordentlich. Ich wollte, dass er klar Stellung bezog!
»Verstecken müsste ich mich auch, wenn ich wirklich eine Mörderin wäre«, schnaubte ich. Ich will wissen, ob Sie mir glauben oder nicht!«
Er lächelte immer noch. »Ich glaube Ihnen jedes Wort, werte Hanne, denn ich halte Sie für eine sehr leidenschaftliche und dabei grundehrliche Frau.«
Ich atmete auf, doch das Gefühl der Erleichterung währte nur einen winzigen Augenblick.
»Sie haben sich entschieden?«, fragte er.
»Ich … ich denke, ich habe das so verstanden, dass Sie, ich meine, dass Sie mir glauben und dass Sie …«, stammelte ich mit hochroten Kopf.
»Richtig, aber ich kann Ihnen deshalb ja nicht die Entscheidung abnehmen. Die liegt allein bei Ihnen: Misses Sullivan, die Mutter meiner Kinder – oder Misses Hensen, die Witwe unter Mordverdacht?«
Ich starrte ihn fassungslos an. »Heißt das, Sie würden mich, obwohl Sie von meiner Unschuld überzeugt sind, an meinen Schwager ausliefern, wenn ich mich weigere, Ihre Frau zu werden.«
»Besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Genauso verhält es sich, Hanne Hensen!«
»Aber … das ist …«, stotterte ich, bevor ich wutentbrannt hinzufügte: »Was sind Sie nur für ein Mensch! Das ist Erpressung!«
Ihn schien meine Wut zu belustigen. »Ich finde, das ist ein fairer Handel. Ich brauche einen Erben und Sie meinen Schutz.«
Er hielt mir seine Hand entgegen, damit ich einschlagen konnte. Alles in mir sträubte sich gegen diesen Kuhhandel, und in meiner Not fiel mir eine dritte Möglichkeit ein. Ich würde mir Bedenkzeit ausbitten und diese dazu nutzen, Sullivan heimlich zu verlassen und mich zu verstecken.
»Mister Sullivan, das kommt alles so plötzlich. Ich weiß nicht, was ich tun soll. Bitte geben Sie mir eine Nacht, um über alles nachzudenken.«
»Kein Problem«, erwiderte er mit fester Stimme, wenngleich er die Enttäuschung über meine ausweichende Antwort nicht verbergen konnte.
»Gut, dann werde ich mal endlich das Frühstück zubereiten«, sagte ich hastig und wandte mich zum Gehen. Ich hatte nur einen Wunsch: weg von diesem Menschen,
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